Wenn Besucher aufgeklärte Kunstkritiker wären

■ betr.: „Im Giftschrank“ (Portraits von Adolf Hitler), taz vom 30.3.94

Über den Ansatz von Harald Fricke, daß es im Zweifel besser wäre, wenn sich „mündige“ Betrachter mit den Bildern von Adolf Hitler auseinandersetzen können, statt daß diese aus Angst vor einem Mißbrauch durch Neonazis weggeschlossen werden, kann man ja vielleicht streiten.

Nur geht der Kommentar eben genau an dem Grund für die Absage der Ausstellung vorbei, da er sich mit den Gründen gar nicht auseinandersetzt, sondern nur dazu dient, eigene politische Auffassungen darzustellen.

Eine solche Ausstellung verletzt trotz ihrer redlichen Intention die Gefühle der jüdischen Menschen, und dies ist wohl unbestreitbar aufgrund der unvorstellbaren Ereignisse in der Zeit des Dritten Reiches und auch angesichts der heute noch bestehenden Vorurteile und Diffamierungen der Menschen des jüdischen Glaubens nachvollziehbar. Daß auf ein solches Gefühl bzw. auf die daraus resultierende Bitte um Absage einer solchen Ausstellung klar und sensibel reagiert wird, trägt entgegen der Auffassung von Herrn Fricke entscheidend mehr zu dem eingeforderten souveränen Umgang mit der Vergangenheit bei als die von Herrn Fricke bevorzugte Auseinandersetzung des mündigen Betrachters mit Führerbildern. Bernhard Loh, Rechtsanwalt,

Berlin 12163

Lieber Harald Fricke, wer weiß, vielleicht wäre die Geschichte anders verlaufen, wenn die Mehrzahl der Deutschen vor über 50 Jahren ebenso aufgeklärte Kunstkritiker wie Du gewesen wären. Und von Anfang an verstanden hätten, daß Hitler „ein Konstrukt war, dessen Massenwirkung an technischen Apparaturen wie Kamera und Radio hing“. Und ihn deswegen höhnisch lachend vom Führerstuhl gestoßen hätten. Nun waren die Leute damals leider nicht so schlau wie Du.

Und heute? Was erwartest Du von den 40.000 BesucherInnen der Ausstellung in München? Haben die sich Fotografien von Adolf angesehen, um sich im „analytischen Umgang“, im „souveränen Umgang mit der Vergangenheit“ zu üben? Schön wär's. Als ich letzte Woche in München war, las ich in der SZ, was für Eintragungen in das Gästebuch des Stadtmuseums geschrieben worden waren: „Hitler war doch der beste aller Deutschen“, „Wir wollen unseren Führer wieder“, und „Erst jetzt verstehe ich, was für ein wunderbarer Mensch Hitler war“. Hättest Du das erwartet, Kunstkritiker? Jessica Nitschke