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Die Waffendeals der britischen Regierung

■ Die Scott-Untersuchung über illegale Waffenexporte in den Irak ist zu Ende gegangen / Das Kabinett war über die Waffenlieferungen von Anfang an informiert

Dublin (taz) – Es war die ausführlichste öffentliche Untersuchung, die eine britische Regierung jemals über sich ergehen lassen mußte. Volle 400 Stunden lang hatte Richter Scott Minister, Staatssekretäre, Regierungsbeamte und Geheimdienstler zu illegalen Waffenexporten in den Irak vernommen. Die Akten umfassen rund 200.000 Seiten, die Untersuchung hat fast eine Million Pfund gekostet. Vergangene Woche ist sie zu Ende gegangen. Details der Untersuchung, die teilweise hinter verschlossenen Türen stattfand, werden zwar erst zum Jahresende bekanntgegeben, wenn der Richter seinen Bericht abliefert. Doch schon jetzt ist klar, daß Scotts Recherche für etliche Leute peinliche Konsequenzen haben könnte.

Die Untersuchung hat ein Netz von Lügen und Intrigen zum Vorschein gebracht, in das die gesamte Londoner Regierung verwickelt ist. Aufgeflogen ist die Geschichte im November 1992, während des Prozesses gegen drei Vorstandsmitglieder der Maschinenfabrik Matrix Churchill. Die Angeklagten Paul Henderson, Peter Allen und Trevor Abraham mußten freigesprochen werden, weil sie anhand von Regierungsdokumenten nachweisen konnten, daß sie nicht nur mit Wissen der Regierung und der Geheimdienste, sondern gar in deren Auftrag Rüstungstechnologie und Waffenteile an den Irak geliefert hatten. Die Geheimdienste MI-5 und MI-6 profitierten erheblich von Hendersons Mitarbeit. 1989 und 1990 unternahm er acht Geschäftsreisen nach Bagdad und spionierte dabei das Condor-Raketenprogramm sowie die konventionelle, atomare und chemische Schlagkraft des Irak aus.

Der frühere Staatssekretär im Industrieministerium, Alan Clark, hatte Matrix Churchill und andere am Irak-Geschäft beteiligte Firmen bereits im Januar 1988 angewiesen, die Möglichkeit einer „friedlichen Nutzung“ des gelieferten Materials hervorzuheben und in den Export-Lizenzanträgen „nichts Militärisches zu erwähnen“. Im selben Monat warnte das Außenministerium vor einem bevorstehenden UN-Embargo und empfahl den Firmen, „so schnell wie möglich zu produzieren und exportieren“. Clark legte der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher nahe, ihre Zustimmung zu den Irak-Exporten geheimzuhalten, aber schon mal „eine entsprechende rechtfertigende Erklärung“ vorzubereiten, falls Kritik laut würde.

Das Kabinett hatte 1988 in einer Geheimsitzung entschieden, die Exportbeschränkungen aus dem Jahr 1985 zu lockern. Vor dem Parlament behauptete man das Gegenteil. Aus Regierungsakten geht hervor, daß der damalige Außenminister John Major, sein Vorgänger Geoffrey Howe und ebenso sein Nachfolger Douglas Hurd über die Exporte informiert waren. Noch am 27. Juli 1990 – sechs Tage vor der Invasion Kuwaits – genehmigte die Regierung einen weiteren Matrix-Churchill-Export für Iraks Aba-Raketenprojekt.

Manager als Bauernopfer

Die Regierung war anschließend bereit, die Angeklagten der Rüstungsfirma 1992 ins Gefängnis wandern zu lassen, um die eigene Haut zu retten. Der damalige Innenminister Kenneth Clarke, Industrieminister Michael Heseltine und Verteidigungsminister Malcolm Rifkind hatten sich – letztlich vergebens – auf „öffentliches Interesse“ berufen, um Entlastungsbeweise zu unterdrücken. Diese Beweise, die die Regierung schwer belasten, führten schließlich zum Freispruch der Angeklagten – und zur Einsetzung der Kommission unter Richter Scott.

Die Untersuchung sollte nach der Enthüllung des Matrix-Churchill-Skandals eigentlich nur zur Beruhigung der Öffentlichkeit dienen. Majors Rechnung ist freilich nicht aufgegangen, denn der liberale Richter machte von Anfang an deutlich, daß er bei einer Public- Relations-Übung nicht mitspielen würde. So lud er alles vor, was in der britischen Politik Rang und Namen hat. Major und vor allem Thatcher glänzten beim Kreuzverhör allerdings durch Ausflüchte, Erinnerungslücken und lasche Rechtfertigungen. Beide behaupteten ganz einfach, daß die Irak- Waffendeals Sache ihrer Privatsekretäre und Kabinettskollegen waren. Die wiederum machten die Staatssekretäre verantwortlich: „Die Minister können nicht nach Informationen fragen“, wusch Hurd seine Hände in Unschuld, „weil sie gar nicht wissen, was es für Informationen geben könnte.“ Aber auch die Staatssekretäre gaben den Schwarzen Peter weiter – an die Regierungsbeamten. Und die machten schließlich die Geheimdienste zum Sündenbock.

Nun warten die Beteiligten mit angehaltenem Atem auf Scotts Abschlußbericht. Der Richter wird den Regierungsapparat mit Sicherheit wegen Korruption, unnötiger Heimlichtuerei und Mißachtung des Parlaments anprangern. Welche Beamten und Minister er letztendlich für „Irakgate“ verantwortlich macht, bleibt abzuwarten. Im Londoner Regierungsviertel ist man jedenfalls schon jetzt wieder mit Schadensbegrenzung beschäftigt: Richter Scott soll durch denunziatorisches Geflüster hinter vorgehaltener Hand diskreditiert werden. Dabei hätte er durchaus noch mehr Unruhe stiften können: Er sollte ursprünglich nämlich nicht nur die Irak-Geschäfte untersuchen, sondern auch die Waffenexporte in den Iran.

Während des Krieges zwischen Iran und Irak hat Großbritannien beide Seiten mit Waffen und Munition versorgt. Hurd hatte 1983 erklärt: „Wir sind neutral in diesem Krieg und haben keine Seite mit Waffen beliefert.“ Doch Alan Clark ließ die britische Neutralität 1992 in völlig anderem Licht erscheinen. Er sagte, es habe in Großbritanniens Interesse gelegen, daß der Krieg zwischen Iran und Irak so lange wie möglich dauerte. Denn London habe während des Krieges umfangreiche Waffenexporte in beide Länder zugleich zugelassen. Ralf Sotscheck

Siehe auch Eurotaz Seiten 18/19

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