: Demokrat in Ungnade
■ Sierra Leones Militärregime weist deutschen Botschafter aus
Freetown/Berlin (AP/dpa/taz) Die Militärregierung des westafrikanischen Staates Sierra Leone hat am Freitag den deutschen Botschafter Karl Prinz aufgefordert, das Land binnen zehn Tagen zu verlassen. Staatssekretär Abass Bundu vom Außenministerium in Freetown gab auf einer Pressekonferenz bekannt, das „in höchstem Maße den diplomatischen Gepflogenheiten zuwiderlaufende und unfreundliche“ Verhalten des Diplomaten habe die Regierung zu dieser „unerfreulichen Entscheidung“ gezwungen. Botschafter Prinz habe sich wiederholt – zuletzt im Februar – den Unmut der Regierung zugezogen, indem er den liberianischen Guerillaführer Charles Taylor in dessen Hauptquartier in Liberia besucht habe.
Beobachter vermuten, daß es für die Ausweisung noch ein anderes Motiv gibt, das bereits im vergangenen Jahr einer dann noch zurückgenommenen Ausweisungsentscheidung zugrunde lag. Botschafter Prinz hatte sich stark für eine Gruppe von Journalisten der führenden sierraleonischen Zeitung The New Breed eingesetzt, die derzeit wegen „aufrührerischer Verleumdung“ vor Gericht stehen und Gefängisstrafen zu erwarten haben. Die mittlerweile verbotene Zeitung hatte am 13. Oktober 1993 berichtet, Sierra Leones Staatschef Valentine Strasser habe Diamanten im Wert von 43 Millionen Dollar – gut fünf Prozent des sierraleonischen Bruttosozialprodukts – privat in Antwerpen verkauft, um sich und Freunden Häuser in London zuzulegen. New Breed-Chefredakteur Julius Spencer, drei weitere Journalisten und einige Freunde Spencers wurden verhaftet und vor ein Gericht gestellt, dessen Richter nach Angaben von Prinz ein Onkel des Generalsekretärs der regierenden Militärjunta sein soll. Inzwischen prüft auf Antrag der Verteidigung das Oberste Gericht die Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens. Nun streiten sich die beiden Gerichte um die Zuständigkeit.
Deutschland zählt zu den größten Gebern von Entwicklungshilfe für Sierra Leone. Die Bundesregierung reagierte am Wochenende mit „Unverständnis“ auf die Ausweisung. Botschafter Prinz habe sich „in jeder Weise korrekt verhalten“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Ergänzend verlautete, es gebe offenkundig auf seiten Sierra Leones Irritationen darüber, daß sich Prinz für demokratische Verhältnisse in der Region engagiere. D. J.
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