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Ein Mann im Visier der Neonazis

„Tot, tot, tot - Du wirst sterben, Du alte Sau. Irgendwann werden wir Deine Bude stürmen, wir haben Deine Adresse“. Schon seit Monaten erhält der schwerbehinderte Frührentner Jürgen Brammer telefonische Morddrohungen aus neofaschistischen Kreisen. Seit Ende März allein rund 40 – mehr als je zuvor. Denn in einer neuen Postille der Neonazis wird Brammer zum Hauptfeind der „nationalen Bewegung“ erklärt.

In der ersten Ausgabe des „Hamburger Echo“, das vermutlich aus den Reihen der Nationalen Liste (NL) stammt, wird Brammer als einziger Antifaschist mit voller Adresse und Telefonnummer genannt. Dazu die Aufforderung an die „Kameraden“: „Sprecht doch auch mal mit ihm“.

„Während im neofaschistischen ,Einblick' noch rund 200 Adressen antifaschistischer Organisationen abgedruckt wurden, bin ich jetzt ganz allein ins Schußfeld gerückt“, beschreibt Brammer die „neue Qualität der Bedrohung“. Doch mehr als der „telefonische Naziterror“ erschreckt den 39jährigen die „Untätigkeit vieler Behörden und des Landeskriminalamts“.

So wurde der von Brammer beantragte Personenschutz abgelehnt. Dieser sei, so ein Mitarbeiter des Landeskriminalamtes, „weder möglich noch nötig“. Denn, so ist sich der Staatsschutz sicher: „Täter warnen ihre Opfer zumeist nicht vorher“. Brammer entnervt: „Dann sind ja alle Menschen, die auf den Todeslisten der Nazis stehen, besonders sicher“. Als Brammer nicht locker ließ, bekam er zur Zeit der Wiener Briefbombenattentate ein Behördenschreiben, in dem es heißt: „Von telefonischen Drohungen, die seitens des rechtsextremen Spektrums abgegeben werden“, könnten „allgemein keine Angriffsabsichten abgeleitet werden“. Deshalb könne eine „größere Gefährdung durch Angriffe auf Leib oder Leben in Ihrem Fall nicht erkannt werden“.

Als „geeignete und verhältnismäßige Schutzmittel“ gegen einen Neonazi-Überfall wird Brammer empfohlen, vor dem Öffnen der Wohnungstür sich per Sprechanlage und „Türspion“ von der Identität der Besucher zu überzeugen. Besonders peinlich: Mitte März teilte ein Mitarbeiter des Landeskriminalamtes Brammer mit, daß die seit Januar bestehende telefonische Fangschaltung für seinen Apparat zum Ende des Monats aufgehoben würde. Brammer löste daraufhin die Fangschaltung wochenlang nicht aus, bis er auf Nachfrage von der Post erfuhr, daß die Anruferfalle nach wie vor besteht. Brammer: „So sind der Polizei mindestens zwei Dutzend Drohanrufe durch die Lappen gegangen“. mac

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