piwik no script img

Fotoaktion contra Knastflucht

■ Untersuchungshäftlinge werden bildlich erfaßt

Es war schon peinlich: Da sollte der Gefangene „Meyer“ entlassen werden, doch weil Gefangener „Schulz“ aus der Nachbarzelle angab, „Meyer“ zu sein und die persönlichen Daten herunterspulte, öffneten sich für ihn irrtümlich die Gittertüren des Untersuchungsgefängnisses (UG) Holstenglacis. Grund der Verwechslung: Der Vollzugsbeamter kannte beide Inhaftierten nicht, Lichtbilder zur Identifizierung lagen ihm nicht vor.

Doch damit soll jetzt Schluß sein. Seit dem Wochenende werden von sämtlichen Insassen des UG sowie von den „Neuzugängen“ Fotos für die Personalakte gefertigt. Zwar werden sämtliche Untersuchungshäftlinge ohnehin von der Polizei erkennungsdienstlich behandelt, doch hatte der Knast zu diesen Fotos bislang keinen Zugang.

Von eigenen Lichtbildern hatte der Untersuchungsknast, so Justizsenator Klaus Hardraht, bislang aus datenschutzrechtlichen Gründen abgesehen. Ein Gutachten habe aber jetzt ergeben, daß diese Bedenken unbegründet seien.

In der Tat: Auch Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hans-Herrmann Schrader hat grundsätzlich keine datenschutzrechtlichen Einwände. Schrader: „Die Erforderlichkeit von Fotos ist durch das Leben erwiesen worden.“ Entscheidend sei allerdings, wie die Bilder verwendet und aufbewahrt werden und wer Zugang zu den bebilderten Personalakten hat. Deshalb wird sich der Knast demnächt einer Kontrolle der Datenschützer unterziehen müssen. Schrader: „Wir werden uns das genau ansehen.“

Die meisten Häftlinge, die sich in Hamburg ihrer Strafe zu entziehen versuchen, wählen allerdings eine konventionellere Methode als das oben geschidlerte jüngst vorgekommene gezielte Verwechslungsmanöver. Im vergangenen Jahr sollen allein aus den offenen Anstalten Vierlande und Glasmoor 251 Gefangene vom Freigang zunächst nicht zurückgekehrt sein. Zwar tauchten die meisten immerhin verspätet wieder auf oder wurden durch die Polizei geschnappt. In diesem Jahr wird ihre Zahl aber noch höher liegen, nach dem jetzigen Stand rechnet die Behörde für 1994 mit insgesamt 500 zumindest vorübergehend Flüchtigen. Grund des Anstiegs: In den offenen Vollzugsanstalten, so Senator Hardraht, sitzen immer mehr Häftlinge wegen Drogendelikten ein, weil die geschlossen Anstalten überbelegt sind.

Kai von Appen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen