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Volksverhetzung?

■ Staatsanwälte entscheiden willkürlich, ob Volksverhetzung vorliegt oder nicht

Osnabrück/Kiel (taz/dpa) – Basilius Streithofen, Dominikanerpater und einstiger „geistiger“ Berater von Bundeskanzler Helmut Kohl, muß damit rechnen, nun doch vor Gericht gestellt zu werden. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück erhob gestern Anklage wegen Beleidigung. Den Anlaß für diese Klage hatte Streithofen im Oktober 1992 gegeben. In einer CDU-Veranstaltung in Meppen hatte der Pater gesagt, Juden und Polen seien die „die größten Ausbeuter des deutschen Steuerzahlers“. Dies trug Streithofen zunächst eine Anzeige wegen Volksverhetzung vom Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen sowie eines Kriminalbeamten ein. Allerdings hatte die Staatsanwaltschaft im Juli vergangenen Jahres das Verfahren eingestellt. Damals erkannte die Staatsanwaltschaft Osnabrück, „eine strafbare Volksverhetzung“ liege nur dann vor, wenn sie gegen „Teile der Bevölkerung“ gerichtet sei, und damit meine der Gesetzgeber eindeutig nur den „inländischen Teil der Bevölkerung“. Gegen diese arische Begründung der Verfahrenseinstellung hatte der Landesverband der Jüdischen Gemeinden Beschwerde eingelegt. Die Generalstaatsanwaltschaft war gestern der Meinung, die Menschenwürde der von Streithofen Angegriffenen sei „nicht betroffen“ und ließ die Anklage wegen Volksverhetzung fallen.

Anders die Auffassung der Staatsanwaltschaft in Neumünster. Sie klagte gestern drei junge Männer zwischen 17 und 26 Jahren wegen Volksverhetzung und Sachbeschädigung an. Die Männer hatten auf einem Sportplatz die Parole: „Türken raus“ gesprüht. In Bad Segeberg müssen sich zwei Schüler vor dem Jugendgericht verantworten, weil sie eine Libanesin mit „Zigeunerin“ angeredet hatten.

Und die Kieler Staatsanwaltschaft klagte gestern einen 33jährigen Mann an, der in der Einkaufspassage „Heil Hitler!“ gebrüllt und einer Passantin mit der zum Hitlergruß ausgestreckten Hand „Judensau“ zugeschrien hatte. Das Amtsgericht wird wegen des Verdachts auf rechtsextremistische Straftaten, Volksverhetzung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verhandeln. roga

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