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Ein bombiger Volksheld

Jahrelang entschärfte er angebliche Bomben / Auf seine Weisung hin wurden ganze Stadtteile mit einem Riesenaufgebot an Polizei geräumt / Er fand willige Helfer  ■ Aus Bremen Susanne Kaiser

Ein Bombenleger ist ein perfider Hundsfott, ein Bombenentschärfer dagegen ein netter Held. Was aber ist ein Bombenentschärfer, der die Bombe zunächst selber legt, um sie dann zu entschärfen? Ein Bremer Sprengmeister der Polizei soll Attrappen in die Luft gejagt haben.

Die zurückhaltenden HanseatInnen basteln sich nicht so rasch einen Helden, doch Sprengmeister Harry Warrelmann war einer – 16 Jahre lang. Auf seinen Befehl hin wurden ganze Stadtteile evakuiert. Für seine Fummeleien an explosiven Zündern heftete man ihm das Bundesverdienstkreuz an die Brust. Alle paar Wochen bebten die Scheiben von der kontrollierten Detonationswelle einer Fliegerbombe und die BürgerInnen vor Ehrfurcht. Seit Mitte Februar ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Polizeiobermeister.

Ein ungeheuerlicher Verdacht wurde jetzt laut: Warrelmann habe in „schlechten Zeiten“ Bombenattrappen selbst gelegt, um sie anschließend zu entschärfen, sprich: mit großem Polizeiaufgebot und einer ordentlichen Menge Sprengstoff detonieren zu lassen. Dies haben mehrere beteiligte Zeugen dem Bremer Regionalfernsehen „Buten & Binnen“ gesteckt. Als Beweis wurde ein Video (Marktpreis derzeit 10.000 Mark) auf den Medienmarkt geworfen. Darauf zu sehen: Männer der „Bremer Kampfmittel-Beseitigungs GmbH“, ständige Mitarbeiter Warrelmanns, die eine als Exerziermunition gekennzeichnete, nicht scharfe Panzermine vorsichtig in meterhohe Strohballen legen und diese anschließend sprengen.

In Bremen, wo es nach Luftbildauswertungen besonders um die Häfen herum vor Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg nur so wimmeln soll, war es an der Tagesordnung: Hundertschaften der Polizei sichern ganze Viertel vor Plünderern, meterhohe Erdwälle werden aufgeschüttet, Strohballen geschichtet, Bahngleise stillgelegt und die Autobahn gesperrt – für die Explosion einer leeren Hülle? Letzteres ist jedenfalls laut Zeugen, die selbst an solchen Täuschungsmanövern teilgenommen haben wollen, mehr als einmal vorgekommen – teilweise sollen die Minen ohne Zünder gar aus dem Polizeidepot herausgeholt und dann an den Ort der Bombenräumung gebracht worden sein.

Das Denkmal Warrelmann sitzt schon länger auf einem Pulverfaß: Seit Mitte Februar ermittelt die Bremer Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und des Betruges. Warrelmann soll der „Bremer Kampfmittel-Beseitigungs GmbH“ (BKB) Aufträge, die nicht selten einen Umfang von knapp einer Million Mark hatten, zugeschanzt und deren Rechnungen nicht korrekt bearbeitet haben. Warrelmann machte der Baudeputation, die das Geld für städtische Bombenräumungsaufträge genehmigen muß, klar, daß die „Bremer Kampfmittelbeseitigung“ so einzigartig sei wie er selbst: niemand sonst in Norddeutschland könne so prima Bomben und Minen entschärfen wie Warrelmann und eben diese Firma. Nachdem der Polizist dem kampfmittelräumenden Geschäftsführer gesteckt haben soll, daß dessen Angebot auf eine öffentliche Ausschreibung zu teuer sei und dieser daraufhin den Preis heruntersetzte, ging das Bombengeschäft los: Fortan erhielt die BKB sämtliche öffentlichen Aufträge – ohne weitere Ausschreibung. Obendrein soll Warrelmann BKB-Rechnungen für Aufträge als „korrekt“ abgezeichnet haben, die niemals durchgeführt wurden. Der bislang geschätzte Schaden für die Stadt liegt in Millionenhöhe.

Die gerechte Strafe für die Entthronung eines Volkshelden hat die „Bremer Kampfmittel-Beseitigungs GmbH“ bereits ereilt: sie ist pleite. Nachdem sich die Vorwürfe, die sich bislang allerdings nicht auf die Bomben-Fakes bezogen, verdichteten, zog die Stadt sämtliche Aufträge zurück. Der Geschäftsführer der Entschärfungsfirma ist verschwunden. Und der Bremer Polizeipräsident Rolf Lüken hat Warrelmann von seinem komplizierten und gefährlichen Dienst suspendiert, gleich nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen aufnahm – „zu seiner eigenen Sicherheit und der seiner Kollegen“.

Der Warrelmann am nächsten stehende Kollege Gerd Litzenburger, Bombenentschärfer in spe und über Jahre als Lehrling an seiner Seite, mußte nun allerdings zugeben, er habe manchmal „schon die Augen verdreht“, wie, wo und in welch gutem Zustand (nach vermeintlich 50 Jahren Aufenthalt in der Erde) manche Blindgänger aufgefunden worden seien.

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