: Datentransfer kann tödliche Folgen haben
■ Bonn informiert Verfolgerstaaten
Berlin (taz) – Die Bundesregierung stellt seit Jahren Verfolgerstaaten Daten über Flüchtlinge und Oppositionelle zur Verfügung. Auf diese Praxis haben die bundesweite Arbeitsgemeinschaft „Pro Asyl“ und die „Deutsche Vereinigung für Datenschutz“ (DVD) hingewiesen. Von dem Datenaustausch, der für Flüchtlinge gravierende Folgen wie Todesstrafe oder Folter zur Folge haben kann, sind zur Zeit vor allem die Kurden bedroht, die die Bundesregierung in die Türkei abschieben möchte.
Pro-Asyl-Sprecher Herbert Leuninger verweist in diesem Zusammenhang auf eine 1979 eingeführte „Tabu-Liste“ zur Bekämpfung des Terrorismus. Die Bundesregierung und die Türkei haben sich verpflichtet, über die in dieser Liste aufgeführten Personen und Gruppen Informationen auszutauschen. Darunter fällt auch die kurdische Arbeiterpartei PKK, die unlängst in der Bundesrepublik verboten wurde. Daß der Nato-Partner Türkei darüber hinaus mit Informationen über in der Bundesrepublik lebende Oppositionelle versorgt wird, hat Leuninger zufolge das niedersächsische Innenministerium schon 1984 bestätigt. Dies geschehe im Rahmen eines Zusatzabkommens für das Nato- Truppenstatut. Die systematische Weitergabe von Daten läßt sich auch anhand eines Erlasses der Grenzschutzdirektion Koblenz vom 28. Oktober 1993 nachzeichnen. Im Fall algerischer Flüchtlinge gibt die Direktion Personendaten zur Ausstellung von Paßersatzdokumenten an das algerische Generalkonsulat weiter. Die Papiere tragen den Zusatz „Asylbewerber“, womit der Vertretung kenntlich gemacht wird, daß es sich um Oppositionelle handelt. Steht eine Abschiebung an, gibt die Behörde sogar die Flugdaten weiter. Wie diese Informationen verwertet werden, ist den Grenzschützern bekannt. Im Erlaß heißt es: „Das Generalkonsulat übermittelt die Flugdaten auch nach Algerien, um sicherzustellen, daß der algerische Staatsbürger den algerischen Sicherheitsbehörden zugeführt wird.“
Informationen über Flüchtlinge werden auch indirekt übermittelt. Erkenntnisse etwa der Verfassungsschutzbehörden werden regelmäßig unter den „befreundeten Diensten“ ausgetauscht. Offiziell fällt der türkische Geheimdienst „MIT“ zwar nicht darunter – über den Umweg Paris, London oder Washington gelangen die Daten dann dennoch nach Ankara.
Im Rahmen der Schengener Verträge soll nun auch europaweit ein „Schengener Informationssystem“ eingeführt werden. Damit werde erstmals „eine internationale Personen-Datenbank“ für ausländerrechtliche und polizeiliche Zwecke geschaffen, kritisiert die „Deutsche Vereinigung für Datenschutz“. In ihr werden „Drittausländer“ gespeichert, die als „Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ gesehen werden.
Weil diese Daten an „Stellen außerhalb des Hoheitsgebietes der Vertragsparteien“ übermittelt werden dürfen, sei dieses System auch „eine potentielle Datenbasis für die Polizei, das Militär und die Geheimdienste der Verfolgerstaaten“. Zur Übermittlung der Daten genügt bereits, wenn der Empfänger „besondere Vorkehrungen für die Datensicherung“ zusichert. Wolfgang Gast
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