piwik no script img

Schneller, Pussykatze! Töte! Töte!

Würden Sie diesen Frauen ein Auto verkaufen? Sieht doch jeder, daß sie nichts Besseres zu tun haben, als damit auf dem Highway rumzubrausen und Männer zu morden. „Your kingsize brother's been twisted like a pretzel“, höhnen sie ihrem gedemütigten Opfer ins Gesicht, bevor es endgültig sein Fett wegkriegt.

Angesichts solcher Dialogfetzen from outer space dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis die (post-)feministische Theoriebildung im Nachfeld Madonnas und im Schlepptau Judith Butlers die selbstbewußten Super-Barbarellas aus Russ Meyers „Faster, Pussycat! Kill! Kill!“ für sich entdeckt.

Die diskophil aufgemachten, mit lehrreichen Bildbeispielen versehenen „Original Motion Picture Soundtracks“ des Trash- Klassikers geben allerdings nicht nur Wortbeiträge zum Studium frei, sie lenken die Aufmerksamkeit ebenso auf reichlich musikalische Akrobatik im Hintergrund. Auch hier eine Montage der Attraktionen: Entsprechend den objektiven Gesetzen des Trash- Genres haben Meyers Mietkomponisten alles zusammengekarrt, was ihnen an billigen Mitteln zur Steigerung der Bilddramatik zu Gebote stand. Krimi-Knaller jagen Dallas-artige Seifenopernsounds, „gefährliche“ Soundscapes münden in „bukolische“ Melodien auf der Oboe, wenn die Nymphe zu Bade steigt. Interessantes Detail: Die Musik für Verfolgungsjagden war in den frühen Sechzigern noch nicht Heavy Metal oder „Garagen“-Rock (der in Embryonalformen anklingt), sondern eine Art Jazz noir mit kubistischen Breaks. Wahrscheinlich hielt man Meyer deshalb immer für einen „Autorenfilmer“.

Ist er das wirklich? Während Tonspuren – gerade im „Erotikfilm“ – oft die Funktion haben, den Skandal der Körper durch banales Gerede herabzumoderieren, schaffen es die besseren der „Vixen“- und „Pussycat“-Soundtracks, das Übertriebene, Maßlose, durchaus Grauslige an Meyers Filmerei zum Instant-Mythos zu verdichten. Es sind griechische Tragödien, die hier im Popgewand konsumierbar geworden sind. Und gerade das befreit Meyers Obsession für das Abfilmen hypertropher weiblicher sekundärer Geschlechtsmerkmale momentweise von jeder Psycho- und Soziologie, mehr noch: es verleiht seinem spanferkelhaften Altmännergrinsen die undurchdringlichen Züge eines Buddha of Trash. Überflüssig zu betonen, daß auch das wieder was mit den vielbeschworenen „Masken der Sexualität“ zu tun haben muß. tg

„Russ Meyer's Original Motion Picture Soundtrack“. 2 CDs, erschienen bei Normal Records.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen