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Die Regierung in Tokio bleibt machtlos

■ Premierminister Hata bildete das erste Minderheitskabinett seit 39 Jahren

Tokio (taz) – Inmitten der modernen Hotellandschaften entlang des Tokioter Kaiserpalasts wirkte das Gebäude der Sozialdemokratischen Partei Japans (SDPJ) stets wie ein Armenhaus. Doch im vergangenen Jahr richteten Parteiarbeiter auf dem Dach ihres Hauptquartiers in gigantischen Buchstaben eine neue Parole auf: „Koalitionsregierung“ lautete ihr Zauberwort, hinter dem die Leuchtreklame der großen Hotels verblaßte. Von nun an war die SDPJ an der Macht.

Am Donnerstag zeigten sich die Parteiarbeiter erneut auf der Dachterrasse. Während sie den stolzen Vorjahrsslogan demontierten, verbeugte sich nicht weit entfernt im Kaiserpalast der neue Premierminister Tsutomu Hata vor Kaiser Akihito und benannte ein Minderheitskabinett ohne Sozialdemokraten.

Das Haus der SDPJ war wieder das geworden, was es immer war: grau und unscheinbar. Noch ärmer aber war die Regierung dran: weder die Wirtschaftsverbände noch die Gewerkschaften entsandten Glückwunschtelegramme. Niemand von außerhalb der Regierungsparteien hatte dem neuen Kabinett beitreten wollen. Zum ersten Mal, seit die Reformer Tokio regieren, waren sie ganz allein.

„Die Regierung hat keine Macht, und ich haben keine Erwartungen mehr“, resümierte ein Bankangestellter die Stimmung in der Bevölkerung. Immerhin 39 Jahre ist es her, seit in Tokio zuletzt eine Minderheitsregierung amtierte. „Wir befinden uns in einer nationalen Krise“, warnte Tadahiro Sekimoto, Chef des Computergiganten NEC. „Die Regierung muß sich ihre Schwierigkeiten eingestehen, denn Zeit ist Geld.“ Hinter diesen Worten des einflußreichen Arbeitgeberpräsidenten stand die kaum versteckte Forderung nach baldigen Neuwahlen. Nie zuvor war ein neues Kabinett in Tokio auf solch offene Inakzeptanz von allen Seiten gestoßen.

Zentrales Bindeglied der bisherigen Koalitionsregierung waren die Gewerkschaften. Doch auch ihr Vorsitzender sagte sich gestern von den Regierenden los: „Diese Regierung besteht nur aus der Erneuerungspartei und der Komeipartei“, kritisierte Akira Yamagishi, Chef des Dachverbandes. Tatsächlich halten diese beiden Parteien, welche rechts- und religiös-nationale Ziele verfolgen, insgesamt 14 von 21 Ministerposten. Statt wie bisher drei gehören dem Kabinett nur noch zwei Frauen an. Verzweifelt rangen die neuen Minister bei ihren ersten Pressekonferenzen um Glaubwürdigkeit und stabile Aussichten. Der neue Außenminister Koji Kakizawa, der erst vergangene Woche aus der Opposition ins Regierungslager übergewechselt war, warnte vor einer Verschärfung des Handelskonflikts mit den USA und der schwelenden Nordkoreakrise.

Indes signalisierte allein die Tatsache, daß ein Mann, der vor Tagen noch den Liberaldemokraten angehörte, plötzlich Außenminister werden konnte, wie dünn die Personaldecke der Koalition geworden war. „Das neue Kabinett ist nur eine Imitation alter liberaldemokratischer Regierungen“, unkte SDPJ-Chef Tomiichi Murayama. An ihm und dem Chef der Liberaldemokraten, Yohei Kono, liegt es nun, nach der Verabschiedung des bislang aufgeschobenen Staatsbudgets per Mißtrauensvotum rasche Neuwahlen einzuberufen. Georg Blume

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