Verdient der Roboter die Rente?

■ Interview mit dem Sozialökonomen Prof. Peter Atteslander

taz: Alle reden von der Beschäftigungskrise. Werden die Menschen künftig weniger bezahlte Arbeit leisten?

Peter Atteslander: Die Technologie führt dazu, daß der menschliche Anteil an der Produktivität abnimmt. Außerdem benötigen Schule und Ausbildung mehr Lebenszeit als heute, die Rentengrenze geht nach unten. Das Erwerbsleben wird sich also in einer immer kürzeren Lebensspanne abspielen. Das, was nicht bezahlte Erwerbsarbeit ist, aber eben auch als Arbeit gelten muß, wird künftig im Durchschnitt mehr als die Hälfte der Lebenszeit ausmachen.

Welche Tätigkeiten sind das?

Das ist Arbeit, die sowohl für den einzelnen wie für die Gesellschaft nötig ist, die der Staat aber nicht mehr leisten kann. Denken Sie an die Überalterung der Gesellschaft, an die Gesundheitskosten, nicht nur bei der Pflege. Hinzu kommt die Subsistenzarbeit. Mal selber was reparieren, Weiterbildung, den Kindern bei den Schulaufgaben helfen, Sozialarbeit leisten und auch im politischen Bereich Aufgaben übernehmen.

Tätigkeiten, die nicht bezahlt sind, werden aber nicht ernst genommen.

Wir müssen Arbeit insgesamt nicht nur neu verteilen, sondern neu bewerten. Die Ausschließlichkeit der Identifikation mit der Erwerbsarbeit ist auf diesem Wege zweifellos ein großes Hindernis. Dabei ist das Prinzip Arbeit gegen Geld doch absurd jung. Vor 150 Jahren waren in Europa 80 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig. Die Bauern haben im Winter was ganz anderes gemacht, zum Beispiel Uhren gebaut. Da sind Reproduktionsaspekte, Subsistenzaspekte in das Arbeitsleben mit eingeflossen. Wenn Sie sehen, wie jung die heutige Erwerbsarbeit ist, dann rechne ich damit, daß wir Arbeit in ein, zwei Generationen wieder ganz anders bewerten.

Der gesellschaftliche Status bemißt sich heute vor allem am Einkommen, das durch eigene Arbeit verdient wird.

Erwerbsarbeit wird bezahlt. Indes gibt es eine wachsende Zahl von Menschen ohne Erwerbsarbeit, jedoch mit „Lohn“. Denken Sie, wie viele Millionen den strukturell Arbeitslosen zukommen. Das ist ja schon eine Art Rente. Wenn Sie Ausbildungsförderung, staatlich bezahlte Umschulung und dann noch die Renten der Alten dazunehmen, kommt schon heute ein großer Anteil des Volkseinkommens Menschen zugute, die nicht erwerbstätig sind.

Wer soll dieses Volkseinkommen denn dann erwirtschaften?

Da fallen mir Bilder aus Japan ein, wo in riesigen Fabrikhallen nur noch wenige Menschen die riesigen Maschinenparks bedienen. Durch die technologische Entwicklung sinkt zwar der Anteil der Menschen an der Produktion, aber vielleicht verdienen ja dann die Roboter die Krankenkassen- und Rentenbeiträge.

Und die Menschen kämpfen um die wenige noch vorhandene bezahlte Arbeit...

Das Prestige der Erwerbstätigkeit wird sinken. Die traditionellen Stammbelegschaften großer Werke werden kleiner werden. Die gutbezahlten Arbeitsplätze für gutausgebildete Facharbeiter werden abnehmen.

Vielleicht müssen sich diese Facharbeiter dann als schlechtbezahlte Altenpfleger verdingen?

Ich sehe durchaus die Gefahr der Ausbeutung. Sie ist zu bekämpfen, was nicht leicht sein wird, weil die Entwicklung widersprüchlich, kompliziert und teilweise auch gegenläufig verlaufen wird. Interview: Barbara Dribbusch