piwik no script img

"Putsch" und "Berluskrone"

■ In Österreich zimmert sich die SPÖ ein Reich aus Banken und Medien zurecht

Die politischen Besitzverhältnisse in Österreich sind mehr als merkwürdig. Die konservative Volkspartei (ÖVP) und die Sozialdemokraten (SPÖ), die sich bis vor kurzem noch Sozialisten nannten, haben das Land in einer Weise aufgeteilt, wie es bundesdeutsche Parteien bisher noch nicht fertiggebracht haben. In der Alpenrepublik gibt es rote und schwarze Firmen, rote und schwarze Banken, ja sogar rote und schwarze Automobilklubs und Sportvereine.

Dabei haben die Sozialdemokraten in den letzten Jahren ihren Einfluß auf eine Art und Weise erweitert, die ihresgleichen sucht. Obwohl die SPÖ kontinuierlich an Wählerstimmen verliert, wird sie immer mächtiger. ÖVP-Generalsekretär Molterer bezeichnete diese Kräfteverschiebung unlängst entrüstet als „Putsch“. Die Polemik ist leicht zu erklären, war es doch noch bis vor einigen Jahren seine Partei, die die Geldszene dominierte.

Das änderte sich Mitte der 80er Jahre, als zwei Sozialdemokraten aus Banker-Kreisen zu höchsten Ämtern kamen: Franz Vranitzky, eine der charismatischen Figuren der österreichischen Polit-Szene, wurde 1986 Bundeskanzler, Hans Mayr im gleichen Jahr Finanzchef der Stadt Wien. Vor drei Jahren fusionierten dann die indirekt von der SPÖ kontrollierte „Zentralsparkasse“ und die „Länderbank“ zur größten Bank des Landes, zur „Bank Austria“. Die wiederum ist gerade dabei, auch noch das bislang drittgrößte Geldinstitut „Giro Credit“ zu schlucken. Damit würde die Bank Austria schlagartig in den Kreis der größten Banken Europas aufsteigen; schon jetzt ist sie mit über 200 Beteiligungen an Versicherungen, Baukonzernen und Gastronomiebetrieben der zweitgrößte Mischkonzern des Landes.

Was hat nun die Bank Austria mit den Medien zu tun? Glaubt man einem Bericht des Wiener Nachrichtenmagazins News (Springer Verlag), dann plant sie gemeinsam mit der deutschen Verlagsgruppe der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) und der größten österreichischen Zeitungsgruppe Mediaprint (Krone, Kurier, profil) einen spektakulären Coup. Die WAZ will angeblich täglichAlles kaufen, jene erste vierfarbige Bildertageszeitung des Mediaprint-Kontrahenten Kurt Falk. Und die Bank Austria will den Deal mit einem Kredit über zwei Milliarden Schilling (300 Millionen DM) finanzieren.

Die WAZ hatte Kurt Falk bereits vor einigen Jahren aus der Krone herausgekauft (die taz berichtete), woraufhin der mit den Blättern Die ganze Woche und täglichAlles einen wilden Preiskampf gegen die Mediaprint entfachte. täglichAlles kann immerhin bis zu 300.000 Exemplare absetzen. Dennoch gibt es mangels Werbeanzeigen Probleme. Durch reißerische und unseriöse Artikel (gegen den EU-Beitritt hetzte das Blatt beispielsweise mit der Schlagzeile „Jagt die Politiker wie die Hasen!“) ist das Blatt für die Werbeindustrie nicht attraktiv.

Die Bank Austria, so wird kolportiert, soll nicht nur den großzügigen Kredit bereitstellen, sondern sie will darüber hinaus auch gleich noch bei der Mediaprint einsteigen. Es sei lediglich noch nicht klar, ob Krone-Halbeigentümer Dichand seine Anteile auch wirklich verkaufen wolle.

Noch dementieren WAZ und Dichand. Sie wollen zunächst einmal das 400.000 Haushalte erreichende Wiener Kabelnetz von Philips übernehmen – ein ebenfalls von der Bank Austria eingefädelter Deal über zehn Milliarden Schilling (1,4 Milliarden DM). Mit diesem Netz könnte später nicht nur gesteuert werden, wer künftig im Kabel vertreten wäre, auch Bankgeschäfte, Einkäufe und superschnelle Kommunikation sollen in Zukunft über Glasfaser- Netz abgewickelt werden.

So oder so stimmt die Zusammenarbeit zwischen den Sozialdemokraten, der Bank Austria und der Mediaprint bedenklich. Im kommenden Jahr werden in Österreich privates Fernsehen und privates Radio zugelassen. In Wien wird es „Radio Eins“ geben. Ein Sender, an dem die Bank Austria mit 26 Prozent beteiligt ist, weitere Anteile halten die Krone, der Standard und die News (also Springer), außerdem die Presse sowie die Zeitschrift Wiener. Darüber hinaus, so kündigte Kanzler Vranitzky an, soll es neben den beiden ORF- Kanälen auch privates Vollprogramm geben, was für die WAZ und die Kronen-Zeitung ebenfalls interessant sein dürfte.

Angesichts dieser Medienverflechtung sprechen Kritiker in Anlehnung an die Macht des italienischen Medienzaren und möglichen Ministerpräsidenten Berlusconi von „Berluskrone“. Tatsächlich könnte die Macht der Sozialdemokraten binnen Kürze einen Umfang haben, wie er sonst nur noch Parteien in China oder Nordkorea gegeben ist. Indirekt kontrolliert die Regierungspartei dann die mit Abstand größte Bank, beim ORF sind mindestens die Hälfte aller Spitzenjobs sowie der derzeitige Interims-Intendant sozialistisch, in den neu entstehenden Privatmedien hält man über die Bank Austria Anteile. Kämen neben dem Kabelnetz-Monopol noch Beteiligungen an den drei größten Zeitungen des Landes hinzu, dann klingt das nicht mehr nur nach Berslusconi, sondern bereits nach George Orwell. Denn abwählen läßt sich ein solches System nicht mehr. Und die konservative ÖVP, die ja als kleinere Regierungspartei ein Korrektiv sein könnte, läßt das schon deshalb mit sich geschehen, weil sie selbst die Finger überall mit drin hat – wenn auch diese Finger immer kürzer und kraftloser werden.

Einem wird das nützen: dem Chef der rechtsradikalen Freiheitlichen Partei (FPÖ), Jörg Haider. Mindestens genauso populistisch, wie er gegen die Ausländer hetzt, stochert er im Sumpf der beiden „Altparteien“ herum. Wenn er gegen die sozialdemokratische Dreieinigkeit aus Regierung, Medien und Banken wettert, dann wird er es publikumswirksam zu einem Allein-gegen-die-Mafia-Kampf hochstilisieren. Falk Madeja

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen