: Die Glasscheibe kratzt am Kreuzberger Himmel
■ GSW gibt grünes Licht für Hochhausbau an der Kochstraße / Umstrittenes Bauvorhaben kostet 180 Millionen Mark / Lange Bauzeit: 1994 bis 1998
Die „Banane“ wird gebaut. Unter dem Vorsitz von Staatssekretär Frank Bielka gab der Aufsichtsrat der landeseigenen „Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft“ (GSW) grünes Licht für den Erweiterungsbau an der Kochstraße. In mehreren Bauabschnitten, sagte gestern GSW-Geschäftsführer Hans-Jörg Duvigneau, werde bis 1998 die 21 Stockwerke hohe, leicht gebogene Glashausscheibe neben dem bestehenden Hochhaus realisiert. Außerdem entstehe entlang der Kochstraße ein dreigeschossiger Riegel, den an der Ecke Koch-/Markgrafenstraße ein ovaler Aufbau bekrönt.
Hauptnutzer des insgesamt 180 Millionen Mark teuren Bauwerks mit einer Bruttogeschoßfläche von 24.600 Quadratmeter für Büros, Läden und Ausstellungsräume wird die GSW selbst sein. Dadurch können Abteilungen der Baugesellschaft wieder in hauseigene Büros umziehen. Die oberen Geschosse hofft die GSW „an diesem optimalen Standort“ (Bielka) an andere Büronutzer zu Preisen zwischen 40 und 70 Mark pro Quadratmeter vermieten zu können.
Die GSW, erinnerte Duvigneau, hatte 1990/91 unter Beteiligung der Senatsbauverwaltung sowie des Bezirks Kreuzberg einen Bauwettbewerb ausgelobt, den die Architekten Matthias Sauerbruch/ Louisa Hutton (Berlin/London) für sich entscheiden konnten. Der Entwurf – „damals eine Provokation“, so Duvigneau – widersetzte sich den Regeln einfacher Stadtreparatur. Das schmale Hochhaus steht frei und spiegelt eher die Architektur einer späten Moderne wider als den postmodernen Baustil der achtziger Jahre.
Wichtiger Bestandteil der gläsernen Scheibe, sagte Matthias Sauerbruch, ist ihre sogenannte Konvektionsfassade, die eine „passive Gewinnung von Solarenergie“ erzeugt, mit der bis zu 40 Prozent Energie eingespart werden könnten. In der Überarbeitung wurden mehr Büroflächen geschaffen und deren Variabilität gesteigert. Aus der ursprünglichen Planung fiel eine Kita heraus.
Das Bauvorhaben sorgte in der Vergangenheit für Furore – nicht nur wegen seiner architektonischen Handschrift. 1992 hatte die Kreuzberger Baustadträtin Erika Romberg (AL) den Bauvorbescheid mit der Begründung abgelehnt, daß das Gebäude zu hoch sei, die benachbarten Häuser verschatte und daß eine Realisierung geltendes Planungsrecht verletze. Die Genehmigung sei „demokratiefeindlich“, sagte Romberg. Zudem bestehe die Gefahr, daß der Hochhausbau andere Türme an der Kochstraße nach sich ziehen und das Verkehrsaufkommen steigern könnte. Auch Senatsbaudirektor Hans Stimmann kritisierte die Planung, entsprach sie doch nicht den Vorstellungen der Blockrandbebauung.
Die GSW legte Widerspruch beim Bausenat ein, der dem Antrag recht wohlwollend zustimmte. Derzeit befinde man sich in der „Endphase der Baugenehmigung“, sagte Bielka. Mit dem Baubeginn rechnet die GSW dennoch in diesem Jahr. An der Kreuzberger Skyline kratzt dann neben Springer ein weiteres neues Hochhaus. Rolf Lautenschläger
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