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Er redete mit den Walen

■ Braun und seekrank: Henning Scherf auf der „Wappen von Bremen III“ über den Teich

Sein Bruder, Psychoanalytiker und also Fachmann in der Frage, was Menschen einander antun können, hatte ihn gewarnt: Bist du verrückt, so lange mit Wildfremden auf engstem Raum, und dafür geht der ganze Jahresurlaub drauf?! Doch da war dieser kleine Junge gewesen, vor vielen Jahren an der Lesum, sehnsüchtig den Schiffen hinterherstarrend, um gleich wieder mit dem Fahrrad nach Hause zu müssen. Also ahoi: Er bestieg ein Segelschiff, um den Ozean zu überqueren. Und siehe, er wurde umgehend fürchterlich seekrank und kotzte seinen Zahnersatz über Bord.

Ein harter Ritt, den der zweite Bürgermeister Bremens am 13.(!) April auf den Bahamas startete. Drei Wochen fuhr Henning Scherf (55) auf der „Wappen von Bremen III.“ als Piefchen Doof in einer Crew aus zehn regattaerprobten Seebären. Skipper war der Ex-Walfänger und Ex-Nautikprofessor Reinhold Schatzmann. Ansonsten: Unternehmer, Ingenieure, Juristen, die allesamt „nie in meine Wahlveranstaltung gehen würden“. Letzte Woche verließ Scherf das Boot in Cherbough, trotz Kälte und Schwerwetter braungebrannt, und rumms: hatte sich der lange Mensch zum ersten Mal den Kopf gestoßen. Drei Wochen lang hatte er sich erfolgreich gekrümmt.

Gefahr, Einsamkeit, Übermacht der Natur, Angst, Ausgeliefertsein, Mut und Glück: Männerkram? Scherf meint sich beim Marathonlauf und Fallschirmspringen genug bewiesen zu haben. Er spricht lieber über die „seelige Lust“ am Ruder, nachts im Stockfinsteren bei Wind 10, und es ist wahr: Man konnte diese 20 Tonnen Schiff auf dem Wellenkamm „surfen“ lassen, daß der Rumpf brummte, und Mitsegler berichten, der Mann habe dann am Ruder „gejuchzt“.

Nein, es blitzt nicht in den Augen des Seemanns Scherf, wenn er von der Gefahr berichtet. Ein riesiges Spinnakersegel verlor sich in der Nacht, der Generator war so kaputt, daß das Boot nicht zu beleuchten war, man mußte ohne Windmesser und teils ohne Funk auskommen. Doch immer war das Vertrauen des Weser- und Wannseeseglers Scherf in die Profis groß. Und die waren, begeistert er sich, „Deeskalationsexperten“. So ganz anders als Politiker, die sich in der Krise gern dauerhaft verkrachen, wuchsen die Segler in der Gefahr zusammen. Zum „Team“.

Und ganz tiefes Glück empfanden selbst die härtesten Männer (um wieviel mehr Scherf!) bei der Begegnung mit den „Hausherren der Meere“, Walen und Delfinen. Sie seien fremd und doch friedfertig, und: „Man kann sie anreden.“ Solch Glück begegnet nicht jedem; doch Henning Scherf war mal Sportsenator und konnte den Betreibern der „Wappen“, der „Segelkameradschaft Wappen von Bremen“, mal 200.000 Mark für die Jugendarbeit rüberschieben. Nach 14 Jahren ergatterte er endlich einen der begehrten Kojenplätze für die Atlantiküberquerung (2.500 Mark).

Nach zehn Tagen Seekrankheit (gottseidank hatte seine Sekretärin ihm einen Ersatzzahnersatz eingepackt) hatte Scherf alle Pillen an Bord durch und die richtigen gefunden. Seine schönsten Erfahrungen aber, weiß er heute, hat er auf dem Hintergrund der Kotzerei gemacht. Burkhard Straßmann

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