: Kairo: Folter und Tod während der Haft
Ein prominenter Anwalt, der häufig Islamisten vor Gericht verteidigte, starb am Tage nach seiner Verhaftung / Erneut Massenverhaftung islamischer Oppositioneller ■ Aus Kairo Karim El-Gawhary
Ägyptens Anwälte befinden sich seit letzter Woche im Aufruhr. Gestern bestreikten viele von ihnen einen Tag lang alle Gerichte. Grund ihres Zorns ist der Tod des Anwalts Abdel Hareth Madani, der am 26. April in seiner Kanzlei festgenommen wurde und tags darauf in Haft starb.
Es sind die Umstände seines Todes und die Tatsache, daß Madani als einer der wichtigsten Anwälte der militanten islamistischen Gruppen „Gamaat Al-Islamiya“ galt, die den Fall zu einem Politikum machen. Die Familie des Anwalts wurde erst am 6. Mai von Madanis Tod unterrichtet. Die Behörden haben den Leichnam bis heute weder zur Obduktion noch zur Beerdigung freigegeben. Der ägyptische Anwaltsverein und die ägyptische Menschenrechtsorganisation EOHR vermuten, daß Madani an den Folgen schwerer Folter starb, die er in einem der Geheimdienstquartiere von Giza im Westen Kairos erlitt. Einen Tag nach seiner Verhaftung war Madani in ein Krankenhaus überwiesen worden, wo er noch am gleichen Tage starb. Nach Angaben seiner Familie war der 32jährige Advokat vorher bei bester Gesundheit.
In einer Erklärung des Innenministers Al-Alfi heißt es dagegen, Madani sei auf Grund eines Asthma-Anfalls gestorben. Nach Angaben des Innenministeriums war der „Terrorist“ Madani angeblich eine Art Vermittler für finanzielle Transaktionen der Gamaat gewesen. Er hätte sein Amt als Anwalt ausgenutzt, um Verbindungen zwischen den Gamaat-Mitgliedern im Gefängnis und den außen operierenden Teilen der Gruppe herzustellen. Einer seiner wichtigsten Verbindungsleute soll dabei Talaat Yassin Hammam gewesen sein, der letzten Monat von der Polizei erschossen wurde. Hammam galt als einer der wichtigsten Strategen der militanten Islamisten.
Madani war Mitglied der „Vereinigung Islamischer Anwälte“, die sich auf die Verteidigung militanter islamistischer Gruppen wie der Gamaat oder Gihad konzentrieren. Er soll angeblich an mehreren Vermittlungsversuchen zwischen diesen Gruppen und der Regierung beteiligt gewesen sein.
In der durch Madanis Tod ausgelösten neuerlichen Konfrontation zwischen Regierung und Islamisten steht der ägyptische Anwaltsverein an der Spitze der Proteste. Der Berufsverband wird seit den letzten Verbandswahlen von einer islamistischen Mehrheit kontrolliert. In einer Erklärung fordert der Verein nun die Preisgabe der Namen der vermeintlichen Folterer und einen Strafprozeß gegen sie. Außerdem verlangt er die Freilassung weiterer 32 Anwälte, die sich ebenfalls in Haft befinden. Falls diese Forderungen nicht erfüllt werden, drohen die Anwälte ihre Proteste fortzusetzen.
Der Fall Madani führte auch zu einem Streit zwischen den moderaten Islamisten, wie den Muslimbrüdern, und radikaleren Teilen der Bewegung. Muntasser Al-Zayat, ein prominenter Anwalt der militanten Gihad-Gruppe, warf dem von Muslimbrüdern kontrollierten Exekutivrat des Anwaltsvereins vor, bei ähnlichen Fällen wie dem von Madani, nicht stärker in Aktion getreten zu sein. In einer Stellungnahme beschuldigt der „Verband Islamischer Anwälte“ den Exekutivrat der „Komplizenschaft und Feigheit“.
Den Forderungen und der Idee des Streiks haben sich bei Veranstaltungen im Gebäude des Anwaltsvereins unter den Augen der polizeilichen Sondereinheiten zur Aufstandsbekämpfung auch eine ganze Reihe nicht-islamistischer Anwälte angeschlossen. Auch die nicht von den Islamisten kontrollierte „Arabische Union der Anwälte“ schloß sich den Protesten an. Das sei eine Frage der beruflichen Ethik und nicht der politischen Ausrichtung, wie ein Anwalt es ausdrückte. Andere Anwälte gingen dagegen gestern ganz normal ihrer Arbeit nach.
Am Wochenende wurden 97 mutmaßliche Islamisten in Kairo und in Oberägypten verhaftet, unter ihnen angeblich auch führende Mitglieder der Gamaat. Der Regierung zufolge sollen Informationen, die die Polizei bei der Durchsuchung von Madanis Büro fand, zu den Festnahmen geführt haben. Zwei Angriffe auf ägyptische Polizisten, die am Freitag in der Provinz Assiut verübt wurden und bei denen drei Uniformierte starben, sind nach einer Verlautbarung des militanten Flügels der Gamaat Racheakte für den Tod von Madani.
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