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Kopf-an-Kopf-Rennen in Santo Domingo

■ Zum ersten Mal könnte ein Schwarzer Präsident des Karibiklandes werden

Berlin/Santo Domingo (taz/ wps) – Es wird knapp für den „Alten“ in der Dominikanischen Republik. Joaquin Balaguer, 87jähriger Konservativer und seit Generationen Machtinhaber auf der östlichen Hälfte der Karibikinsel, will zum siebten Mal Präsident werden. Doch trotz massiven Wahlbetrugs und einer Kampagne mit der Angst zeichnete sich gestern ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit seinem sozialdemokratischen Herausforderer José Francisco Peña Gomez ab. Sollte Peña Gomez gewinnen, bekäme die Dominikanische Republik den ersten schwarzen Präsidenten ihrer Geschichte.

Die Hautfarbe des Oppositionsführers hat in dem Wahlkampf in der zu 87 Prozent von Mulatten, zu 11 Prozent von Schwarzen und zu 13 Prozent von Weißen bewohnten Dominikanischen Republik eine zentrale Rolle gespielt. Politische Themen wie Massenarbeitslosigkeit, -obdachlosigkeit und -emigration traten vor der Frage „Praktiziert Peña Gomez den Voodoo?“ in den Hintergrund. Die „Reformistisch sozialchristliche Partei“ (PRSC) des „Alten“ behauptet das. Der Sozialdemokrat soll als Anhänger des „Armenkultes“ der Haitianer und damit Opfer afrikanischer Einflüsse diffamiert werden.

Peña Gomez schwieg zu der Schmutzkampagne. Er sagte auch nichts zu den Anwürfen, er sei ein „Haitianer“. In seinem Umfeld ist es ein offenes Geheimnis, daß die Vorfahren des Sozialdemokraten Immigranten aus dem benachbarten Haiti waren. Der 57jährige Peña Gomez selbst hat es vom Schuhputzer zum Chef der „Revolutionären Dominikanischen Partei“ (PRD) und zu einem Vizepräsidenten der „Sozialistischen Internationale“ gebracht. Seine Hochburgen liegen in den Slums der Städte der Dominikanischen Republik. Als im Wahlkampf erste Morddrohungen gegen ihn laut wurden, sagte der Kandidat, das Land werde brennen, sollte ihm etwas zustoßen.

Das Verhältnis zu der benachbarten „armen Schwester“ ist in der Dominikanischen Republik höchst sensibel. Dauer-Machthaber Balaguer macht keinen Hehl aus seiner Antipathie gegen Haitis gewählten Exil-Präsidenten Jean Bertrand Aristide. Er sorgt dafür, daß Haiti über die Landgrenze mit Treibstoff versorgt wird und durchbricht so das UN-Embargo gegen die Militärmachthaber. Gleichzeitig warnt er in seinem Buch „Die andere Hälfte der Insel“ vor einer „Haitisierung“, die die Dominikanische Republik schwächen würde.

Die 3,2 Millionen stimmberechtigten DominikanerInnen waren am Montag zur Urne gebeten. Wie alle vier Jahre wählten sie auf einen Schlag den neuen Präsidenten, die Abgeordneten beider Kammern, die Bürgermeister und sämtliche Kommunalvertreter. Auch diesmal kam es wieder zu gewalttätigen Szenen im Wahlkampf. Über 30 Menschen kamen ums Leben – davon rund 10 durch Schußverletzungen. Der US-Botschafter warnte noch in der vergangenen Woche vor einer Zunahme der Gewalt. Einige Tage vor dem Urnengang bildete sich unter der Ägide des Rektors der katholischen Universität von Santo Domingo eine Initiative für eine friedliche Wahl, der sich fast alle Parteien anschlossen.

Dennoch kam es zu zahlreichen „Unregelmäßigkeiten“ bei der Wahl. Oppositionsführer Peña Gomez sprach am Montag von Zehntausenden seiner AnhängerInnen, deren Namen nicht einmal in den Wählerverzeichnissen auftauchten. In einer Provinz sollen Militärs die Wahlberechtigungen schwarzer DominikanerInnen eingesammelt haben, andernorts sollen Anhänger von Balaguer prophylaktisch Wahlscheine aufgekauft haben.

Am Montag öffneten die Wahllokale wegen der „Unregelmäßigkeiten“ erst mit zweistündiger Verspätung. Am Nachmittag verlängerte die Wahlkommission die Öffnungszeit der Lokale um drei Stunden, um den verhinderten WählerInnen doch noch Gelegenheit zum Urnengang zu geben. Ein US-amerikanischer Wahlbeobachter, der ehemalige Kongreßabgeordnete Steven Solarz, erklärte anschließend: Wahlbetrug habe es auf jeden Fall gegeben, die Frage sei nur, in welchem Maße.

Balaguer hatte im Wahlkampf von einer schicksalhaften Entscheidung für sein Land gesprochen. Viele WählerInnen verstanden das als Hinweis darauf, daß ihr erblindeter und erlahmter 87jähriger Machthaber unabhängig vom Wahlausgang oben bleiben will. Ihre Sorge: „Peña wird gewinnen, und Balaguer bleibt Präsident.“ dora

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