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Atomwirtschaft wartet auf die Wahl

■ Jahrestagung Kerntechnik 1994: Was macht die SPD?

Stuttgart (taz) – Der Bundeswirtschaftsminister präsentierte sich als Mutmacher. Mit einem flammenden Bekenntnis zur weiteren Nutzung der Atomenergie erfreute Günter Rexrodt (FDP) gestern die rund 900 Teilnehmer der Jahrestagung Kerntechnik 94 in Stuttgart. Unter dem Applaus des Auditoriums forderte der Minister die SPD-Länder auf, am kommenden Freitag für das umstrittene Artikelgesetz zur weiteren Nutzung der Atomenergie und über die Kohlesubventionen zu stimmen. Diese abgespeckte Novelle, die unter anderem den Weg für die direkte Endlagerung und den mittelfristigen Verzicht auf die Wiederaufarbeitung ebnet, biete für die Atomenergie zwar ein „schützendes Dach“, meinte Karl Stäbler, der Vertreter der Vereinigung der Deutschen Elektrizitätswirtschaft (VDEW). Den „energiepolitischen Konsens“ könne sie jedoch nicht ersetzen.

Rexrodt hält die Konsensgespräche, die im Herbst nach monatelangem Gezerre abgebrochen worden waren, nur für „vorläufig“ gescheitert, ließ aber in Stuttgart keinerlei Zweifel daran, was für die FDP und die gegenwärtige Bundesregierung am Ende herauskommen muß: Die Kernenergie bleibe „unverzichtbares Element“, ohne eine „langfristige Option für die Nutzung der Kernenergie“ wisse er nicht, was aus dem „wichtigen und bedeutenden Technologiestandort“ Deutschland werden solle. Ein Ausstieg, wie ihn die SPD in ihrem gerade verabschiedeten Wahlprogramm erneut fordere, hätte „schlimme Konsequenzen“ für den Wirtschaftsstandort Deutschland. In der Diskussion gehe es letzten Endes auch „um die Zukunft der Hochtechnologie und Wissenschaft überhaupt“.

Für die Atomwirtschaft geht es eher profan um die Position der SPD nach der Bundestagswahl. Der Präsident des Deutschen Atomforums, Claus Berke, nannte es „nicht erklärlich“, daß die Sozialdemokraten in ihrem Wahlprogramm erneut den Neu- und Ersatzbau von Atomkraftwerken ablehnen und auch den während der Konsensgespräche vom niedersächsischen Ministerpräsident Gerhard Schröder angebotenen Einstieg in eine neue Reaktorgeneration zurücknehmen. Diesen Rückfall beklagte auch Karl Stäbler, der „um die Jahrtausendwende“ mit dem Bau des deutsch- französischen 1.500-Megawatt- Druckwasserreaktors EPR beginnen möchte – nicht weil er gebraucht würde, sondern um die Nukleartechnik nicht an personeller Auszehrung sterben zu lassen.

Stäbler rief die nuclear community auf, die weitere Nutzung der Atomkraft „mit allen Mitteln“ zu verteidigen. Man werde sehen, wie sich die SPD verhalte, wenn im Herbst „Bündnisüberlegungen bezüglich der Grünen nicht mehr relevant sind“. Schuld an den anhaltenden ideologisierten Debatten über die Kernenergie sei im übrigen nicht nur die Partei der Grünen, die aus den Deutschen „ein Volk von Jägern, Sammlern und Fallenstellern“ machen wolle, sondern auch die „Arroganz der evangelischen Amtskirche“, die den Segen der nuklearen Stromerzeugung immer noch nicht erkannt habe. Ovationen nach seinem Auftritt waren Stäbler sicher. Draußen errichteten protestierende Atomkraftgegner eine symbolische Atommüllhalde. Gerd Rosenkranz

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