Von Maxxen und Plexxen

■ Kino-König gegen Bananen-König: Kriegt Bremen nun ein ,Cinemaxx' oder nicht?

Seit Jahren schon lauert Deutschlands zweitgrößter Kinobesitzer Hans-Joachim Flebbe darauf, in Bremen ein Cinemaxx, ein Riesenkino für 3.000 ZuschauerInnen zu bauen. Zur Zeit ist er mal wieder „heftig und intensiv am Ball“, versichert Pressesprecher Thomas Schulz. Im Weg liegt dem zielstrebigen 42jährigen Flebbe der nicht minder spurtstarke Bremer Bananenhändler Bernd-Artin Wessels. Flebbe möchte seinen Kinoneubau just dort hochziehen, wo derzeit noch Wessels „Atlanta“-Bürogebäude steht, auf dem Fruchthof neben der Hochstraße. Flebbes Maxime für Kinobauten lautet schließlich: innerstädtisch, verkehrlich gut angebunden, Parkhäuser in der Nähe.

Die Antwort des Bananenhändlers: „Wenn's für Bremen interessant ist und gut, würden wir ausziehen – aber eigentlich haben wir es hier warm und trocken.“ Man müßte ihm schon woanders 2.000 Quadratmeter Bürofläche anbieten, und zwar innerstädtisch. Denn Wessels Maxime lautet: Einkaufsgelegenheiten in der Nähe, sonst laufen ihm die weiblichen Angestellten weg, die nebenher noch einen Haushalt zu versorgen haben. Ins World-Trade-Center würde Wessels umziehen, aber da sei alles ausgebucht. Und da, wo Platz wäre, nämlich im Siemens-Hochaus, will er nicht hin: „Soll ich meine Gäste durch die Sexshop-Passage gehen lassen?“ Immerhin, er prüft gerade mal wieder zwei Objekte.

Der hat halt Ansprüche, seufzt Peter Rahn von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Rahn sähe das Cinemaxx sehr gerne auf dem Gelände des Fruchthofs – sozusagen als Eingangspforte für den dahinter geplanten Promotionpark. Kinobesitzer Flebbe ist jedenfalls wild entschlossen: Wenn es mit dem Fruchthof nicht klappt, dann mit einem Alternativstandort. Man munkelt von der Hochgarage neben der Hochstraße.

Aber er muß sich beeilen, wenn er sein hochgestecktes Ziel erreichen will: in vier Jahren alle Städte mit über 100.000 EinwohnerInnen mit einem Multiplex zu versehen. Apropos Multiplex – hier eine kleine Begriffskunde: „Multiplex“ ist sozusagen die Gattung, bezeichnet also alle Kinoneubauten mit mindestens acht größeren Kinosälen. „Cinemaxx“ dagegen ist der Markenname für die Multiplexe der Flebbe Filmtheaterbetriebe. Kennzeichen der Cinemaxxe: kein Kinosaal unter 125 Plätzen, Sitzreihenabstand 1,20 Meter. Neigung der Sitztribüne: 15 Prozent. So soll auch eine 1,70 Meter große Person noch über einen 2 Meter großen Menschen hinwegsehen können.

Seit Jahren boomt das Kino – warum, weiß niemand so genau, die Filme sind schließlich nicht unbedingt besser geworden. Möglicherweise hat der Trend zum Luxuskino wieder mehr Leute ins Kino gezogen. Flebbe war einer der Trendsetter: In Hannover hat er vor drei Jahren sein erstes Cinemaxx-Kino eröffnet, kurz darauf in Essen den größten deutschen Kinokomplex mit 5.200 Plätzen, jüngst einen Neubau in München, in Kiel und Halle wird gerade gebaut, Hamburg ist in Planung. Im Schnitt kostet ein Cinemaxx-Bau 30 bis 40 Millionen Mark.

Mit solchen Großvorhaben steht Flebbe allerdings nicht allein: Der mit 500 Leinwänden größte deutsche Kinobesitzer Riech mit seiner Ufa-Kette zieht nun nach. Als erster in Deutschland hatte übrigens der US-Konzern „United Cinemas International“ (UCI) ein Multiplex bei Köln eröffnet. Auch in Bremen will sich UCI niederlassen, draußen beim Weserpark, hat sogar schon die Baugenehmigung in der Tasche und Bäume fällen lassen – sonst aber tut sich dort seit Jahr und Tag nichts. Eigentlich, sagen BranchenkennerInnen, sei das Kino auf der grünen Wiese out.

Beginnt mit den Multiplexen das große Sterben der kleineren, zumal der Programm-Kinos? Erfahrungen aus Hannover: Vor der Eröffnung des „Cinemaxx“ ging die statistische Hannoveranerin zweimal im Jahr ins Kino, heute bereits öfter als fünfmal. Kaum sind die Kinos nicht mehr eng, stickig und muffig, gehen auch wieder die Über-30-Jährigen ins Kino. Bremen übrigens liegt, was die Besuchshäufigkeit angeht, in der Mitte mit seinen rund drei Kinobesuchen pro Jahr und Einwohnerin.

Allerdings haben in Hannover trotz des neuen Kinointeresses inzwischen vier Kinos zugemacht, überwiegend Ufa-Kinos. Nicht alle erfüllen die gestiegenen Ansprüche und investieren in modernere Technik und mehr Komfort. Allmählich allerdings nimmt Riech den Kampf auf, in Hamburg zum Beispiel reißt er den Ufa-Palast mit seinen unzähligen Schachtelkinos ab für ein neues Kino. In anderen Kinos werden die Schachteln wieder zusammengelegt zur ursprünglichen Saalgröße.

Um die Bremer Innenstadtkinos fürchtet die Ufa-Pressesprecherin Tanja Güß allerdings nicht, schließlich habe der Bremer Ufa-Palast erst 1990 eröffnet, sei ein geplegtes und sehr gut besuchtes Kino, zumal von älteren BesucherInnen gut angenommen. Probleme könnte höchstens das „Stern“ bekommen, weil mit Ausstattung und Technik nicht so ganz auf der Höhe der Zeit.

Vollends gelassen sehen die Bremer Programmkinos einem Cinemaxx entgegen. „Wir sind ja technisch auf dem neuesten Stand“, sagt etwa Holger Mertins, Geschäftsführer der Schauburg, dazu komme noch der Standortvorteil. Und daß Flebbe sämtliche Kopien eines neuen Films an sich reißen könne, befürchtet er auch nicht. Bei „Schindlers Liste“ habe man doch auch zusammengearbeitet – die lief in Flebbes Europa und in der Schauburg. „Außerdem wären die Verleiher schön blöd, wenn sie ein extrem gut gehendes Kino wie die Schauburg sausen ließen.“

Nicht zuletzt vertraut der Schauburg-Geschäftsführer darauf, daß Hans-Joachim Flebbe einst als Kunstkino-Betreiber angefangen hat, die Filme also nicht ausschließlich als Ware sehe. Allerdings sieht zum Beispiel das Hannoveraner Cinemaxx den Film so sehr unter dem Verkäuflichkeitsaspekt, daß „Cyrano de Bergerac“ nach einer Woche wieder abgesetzt wurde und „das Piano“ erst gar nicht lief. „Mainstream“, lautet ausdrücklich die Devise. Christine Holch