■ Das Portrait
: Karlheinz Deschner

Er ist ein höflicher Franke und ein zynischer Rigorist. Er lebt asketisch wie ein Mönch und schwelgt in seiner Kirchenfeindschaft. Er handelt emotional und seziert seine Opfer mit scharfer Rationalität. Sein Schnurrbart blond, die Augen freundlich, Gästen läßt Karlheinz Deschner stets den Vortritt. Die spärlichen Haarsträhnen sollen die Glatze verdecken – wenn er dann noch die Baskenmütze aufsetzt, könnte er für Roquefort Reklame machen. Doch (Edel-) Fäule bestätigt er bevorzugt den Kirchen.

Die Mehrzahl seiner 35 Bücher mit über 12.000 Seiten in fast vierzig Jahren: Leichenfunde in Kirchenkellern. „Christentum – die Religion der Frohen Botschaft mit der Kriegsbemalung. Die Liaison eines Gesangvereins mit einer Feuersbrunst.“ Für ein Malmot über die Kirche ist er sich nie zu schade, mit ihr hat er seinen Unfrieden gemacht. Auf zehn Bände ist seine „Kriminalgeschichte des Christentums“ angelegt. Es ist die Summe seiner Abrechnung mit bischöflichen „Speichelleckern“ und „karrieregeilen“ Päpsten, deren Ziel weltweite Macht sei. Sie unterdrücken, betrügen und paktierten mit Diktaturen.

Um den historischen Nachweis zu erbringen, arbeitet Deschner 15 Stunden täglich, hundert Stunden pro Woche, Herzinfakt mit 43 inklusive. Arm war er, Mäzene halfen ihm, seiner Frau und den drei Kindern zu überleben. Noch fehlen sechs Bände. Eigentlich motiviere ihn kaum noch etwas, sagt er, „denn alles, was ich eigentlich wissen wollte, habe ich natürlich längst für mich eruiert.“ Manchmal fragt sich der Vegetarier, ob er nicht besser seine Zeit für Tiere eingesetzt hätte. Vor zwei Jahren wurde eine kirchliche Expertentagung zu seinem Werk durchgeführt. Man fand einige Ungenauigkeiten und Fehler, stellte Haß und Feindschaft fest und ärgerte sich, daß der Feind auch noch mit dem Pazifismus des Kirchengründers aus Nazareth argumentiert. „Ich kann das Unrecht einfach nicht leiden“, gibt Deschner als Maxime an. Er empört sich nicht nur über die Kirchen.

Kirchenkritiker Foto: Peter Empl/Magenta

Kritikern hält der promovierte Literaturwissenschaftler vor, „Nieten und Mediokritäten“ wie Böll, Hesse und Jünger hochzujubeln. Auf den Golfkrieg 1991 reagiert er mit einer Skandalgeschichte der USA. Bei einer Lesung verlegt er ein Manuskript und spricht spontan von Diebstahl. Mißtrauen ist die Berufskrankheit in seinem Geschäft. In postmoderner Talkshowtime wirkt der Aufklärer Deschner fast anachronistisch. Gestern wurde er 70. Wilfried Köpke