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Atomblockade kann teuer werden

■ Turmbesetzer von Gorleben sollen 126.901,10 DM für ihren Protest zahlen / Bundesamt bezahlte Atomfirmen für Ausfall

Berlin (taz) – Die Turmbesetzer kamen früh und ohne Brummi. Am 21. Juni 1990 erklommen 14 AtomkraftgegnerInnen aus dem Wendland die Bohrtürme des Endlagerstandortes Gorleben. Ihr Anliegen: darauf hinzuweisen, daß die Atomkraft gefährlich ist und Gorleben als Atommüllendlager ungeeignet. Der Anlaß: Die neue rot-grüne niedersächsische Regierung war gerade ins Amt gekommen. Atomministerin Monika Griefahn hatte sich explizit „Druck von der Straße“ für eine ausstiegsorientierte Atompolitik gewünscht.

Fast vier Jahre später – das Atommüllendlager Gorleben wird inzwischen nur noch pro forma weiterverfolgt – sollen die AtomkraftgegnerInnen nun zahlen. Nicht etwa ein Bußgeld wegen Hausfriedensbruch oder den Schaden der Zäune, die sie durchschnippelt hatten. Verhandelt wird heute vor dem Landgericht Lüneburg vielmehr, ob die Protestierenden gesamtschuldnerisch 126.901,10 Mark berappen müssen, weil sie den „Bohrbetrieb“ in Gorleben behindert haben.

Beteiligte Politiker und Beamte, die in den vergangenen 15 Jahren mit politischen Willen und Schlamperei 1,4 Milliarden Mark für ein „Erkundungsbauwerk“ in Gorleben ausgegeben haben – obwohl es ein Endlager dort mit hoher Wahrscheinlichkeit nie geben wird – werden trotz solcher Gründlichkeit bislang nicht finanziell zur Verantwortung gezogen.

Bekommt die Verhandlung vor dem Landgericht allein dadurch schon einen absurden Zug, so wird es durch die Klagenden endgültig zur Farce: Es klagt nämlich nicht etwa die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern (DBE), die in Gorleben bohrt und von den Stromkonzernen für alle notwendigen Kosten bezahlt wird, sondern die Bundesrepublik Deutschland. Wenn aber ein Schaden entstanden wäre, hätte die DBE oder die sie finanzierenden AKW-Betreiber ihn gehabt – zumindest solange man nicht argumentiert, daß bei einem so umstrittenen Projekt wie einem Atommüllendlager Demonstrationskosten notwendig dazugehören. Beim Strafverfahren wegen Hausfriedensbruch und der Beschädigung der Zäune war die DBE jedenfalls als Geschädigte aufgetreten.

In Lüneburg aber tritt das Bundesamt für Strahlenschutz als Klägerin auf. Der Grund: Vater Staat hat vorauseilend der Atomfirma DBE schon mal 126.901,10 Mark überwiesen für den demobedingten Stillstand. Die DBE und die Stromkonzerne dürften schließlich keine Nachteile von ihrem Endlagergeschäft haben, meinten die Beamten. Und dann fiel dem Bundesamt vor knapp einem Jahr ein, es könnte das Geld ja bei den DemonstrantInnen zurückholen.

Auch wenn die Verhandlung heute juristisch eine Farce ist, politisch macht sie Sinn. 126.000 Mark Strafe für einen Akt zivilen Ungehorsams sind kein Pappenstil. Einige der Demonstranten fühlen sich durch die angedrohte Strafe in ihrer Existenz bedroht. Das aber scheint die Absicht zu sein. Das Demonstrieren gegen die Bonner Atompolitik soll teuer und für kritische BürgerInnen in seinen Folgen unberechenbar werden. Ihr Demonstrationsrecht würde faktisch eingeschränkt.

Entschiedener Protest bliebe bei einer solchen Gerichtsentscheidung künftig Bauern und Brummifahrern vorenthalten. Kapitäne der Landstraße werden nämlich nach Blockaden bislang weder straf- noch zivilrechtlich zur Kasse gebeten. ten

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