: Bosnische Regierungstruppen in der Offensive
■ Schwere Kämpfe in Nordbosnien / Serbische Vorstöße bei Sarajevo und Goražde / Bosnien-Aufteilungsverhandlungen in Genf wieder begonnen
Sarajevo/Genf (dpa/taz) – Bosnische Regierungstruppen sind gestern im Norden Bosniens zu einer breit angelegten Offensive gegen serbische Stellungen angetreten. In der Umgebung der Städte Maglaj, Tesanj und Doboj tobten erbitterte Gefechte. „Hier handelt es sich ganz klar um einen ernsthaften Versuch der bosnischen Regierungstruppen, größere Geländegewinne zu erzielen“, sagte ein Sprecher des UNO-Hauptquartiers in Zagreb. Über Einzelheiten lagen noch keine Angaben vor. Auch in der Tiefebene der Save im Norden Bosniens lieferten sich serbische Truppen heftige Artillerieduelle mit den verbündeten kroatischen und bosnischen Einheiten. Nach serbischer Darstellung war die Serben-Hochburg Brčko erneut von Artillerieangriffen erschüttert worden.
Zwei Panzer der bosnischen Serben drangen gestern in die UNO-Schutzzone um Sarajevo ein und griffen Stellungen der bosnischen Regierungsstreitkräfte an. Entgegen ihrer wiederholten Zusage zogen die Serben auch ihre letzten Soldaten aus der Schutzzone um Goražde nicht ab, sondern bauten ihre Stellungen außerhalb der Zone aus und schränkten die Bewegungsfreiheit von UNO- Beobachtern ein.
Die Friedensverhandlungen für Bosnien-Herzegowina wurde unterdessen in Genf und im französischen Talloires unter Teilnahme aller drei bosnischen Kriegsparteien sowie Kroatiens wieder aufgenommen. Bosniens Premierminister Silajdzić sowie die Vertreter der bosnischen Serben und Kroaten, Krajisnik und Zubak, trafen zunächst in Genf zu bilateralen Gesprächen mit den beiden Bosnien-Unterhändlern von UNO und EU, Stoltenberg und Owen, zusammen. Am späten Nachmittag begann in Talloires eine Plenarrunde zwischen den Vertretern der Kriegsparteien und der „Kontaktgruppe“ aus den USA, Rußland, Frankreich, Großbritannien und Deutschland. Ziel der Verhandlungen ist zunächst einmal die Vereinbarung eines mindestens viermonatigen Waffenstillstandes, des Rückzuges aller schweren Waffen sowie der Entflechtung der gegnerischen Truppen. Sodann wollen die „Kontaktgruppe“ und die beiden Unterhändler die drei Kriegsparteien auf eine territoriale Aufteilung Bosniens im Verhältnis von 51 Prozent für die muslimisch- kroatische Föderation und 49 Prozent für ein serbisches Gebiet festlegen. Bosnische Regierung und Kroaten bestehen jedoch weiterhin auf 58 Prozent des Landes für die Föderation. Vor zwei Wochen hatten sie unter aktiver Beteiligung des US-Sonderbeauftragten Redman eine entsprechende Karte vereinbart, von der sich die USA inzwischen distanziert haben. azu
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen