piwik no script img

Ein Sockel für Jack

■ Trainer (Brite) ist Ehrenbürger von Dublin

Dublin (taz) – „Er hat sogar Macht über das Wetter“, sagte eine junge Dublinerin voller Ehrfurcht. Zum ersten Mal seit Wochen schien in der irischen Hauptstadt die Sonne, als Jack Charlton, der Trainer der irischen Fußball-Nationalelf, am Donnerstag zum Ehrenbürger ernannt wurde. Er ist der erste Engländer, dem die Ehre in diesem Jahrhundert zuteil wurde. Längst hat man ihm seinen Geburtsort verziehen. Die acht Jahre, die er den Job schon macht, seien die besten seines Lebens gewesen, rief der normalerweise grantige Charlton den 10.000 Menschen zu, die zu der Freiluftzeremonie gekommen waren.

Konkrete Vorteile hat die Ehrenbürgerschaft nicht. Die Fahnen werden für einen Tag auf Halbmast gesetzt, wenn er stirbt. Das werden sie freilich auch, sollte Irland bei der WM in den USA im Juni schon in der Vorrunde ausscheiden. Hat man ihm die Ehrenbürgerwürde deshalb vorsichtshalber jetzt schon verliehen? Die DublinerInnen sind anderer Meinung. „Da drüben ist noch ein Sockel frei“, brüllte ein ganz in grün gekleideter Fußballfan und zeigte auf die Dubliner Hauptgeschäftsstraße. „Dort kommst du hin, wenn wir Weltmeister sind.“ Früher stand ein Landsmann Charltons auf dem Sockel: Admiral Horatio Nelson. Doch eines Nachts 1966 wurde die Statue mit Hilfe einer Bombe pulverisiert. Im selben Jahr gewann Charlton mit der englischen Mannschaft die WM – gegen (West-)Deutschland.

Daß Charlton mit dem irischen Team den Sieg gegen Deutschland morgen in Hannover wiederholen wird, steht für die Dublinerin fest. Und wenn nicht? „Das wäre Taktik“, sagt sie. „In dem Fall will Jack die Deutschen in Sicherheit wiegen, damit sie in den USA unvorsichtig werden.“ Kein Wunder, daß Charlton in Irland hochzufrieden ist: In einer Zeit, wo für den Trainer der englischen Mannschaft stets ein Fluchtwagen bereitsteht, wird Charlton selbst eine mögliche Niederlage von vornherein als taktischer Geniestreich ausgelegt. Ralf Sotscheck

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen