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Lokalkoloratur

Tagesschau aufgepaßt, das heutige Alternativprogramm könnte die Quote drücken: Peter Hahne, „heute“-Sprecher des ZDF, beehrt live und ungeschminkt die Hansestadt. Statt schlimme Kriegsmeldungen zu verlesen, geht es dem Fernsehmann heute abend allerdings um die „Gute Nachricht“. Denn das unbeirrbare Lächeln des Nachrichtenmoderators – wir ahnten es immer schon – hat einen festen Glaubensgrund: Hahne ist Christ und stellt sein Licht nicht unter den Scheffel. Im Gegenteil: Sitzt er nicht gerade im Mainzer Fernsehstudio, verkündet der Freizeitprediger den Herrn in Missionszelten, Hallen und Kirchen kreuz und quer durch die Republik. Hahnes Botschaft, millionenfach auch als Traktätchen verkauft, ist gut formuliert, schlicht gestrickt und ziemlich recht(s)gläubig: Es gibt keinen Grund zum Klagen für jeden, der bereit zur Umkehr ist. Zu Gott. Das „größte Problem unserer Zeit“, weiß Hahne, sei, „daß der Mensch sich selbst zum Problem geworden ist“. Ergebnis: Westeuropa sei zum „riesigen Jammertal“ verkommen, aus dem sich „eine Flut von Klageweibern und -männern über die Urlaubsstrände der Karibik“ ergieße. Um Bonmots ist der langjährige Journalist nie verlegen. „Bei Gott sitzen Sie in der ersten Reihe“, kokettiert er, und zu verbaler Höchstform läuft er auf, wenn's gegen „klerikale Besserwisserei“, „Öko-Bla-Bla“ und „Friedensgefasel“ geht: „Da gibt es politische Initiativen zum Schutz von Froschlaichtümpeln und Krötenwanderwegen, da wird jedes Biotop heiliggesprochen und die Humanisierung der Legehennenhaltung zum Glaubensbekenntnis erhoben – nur das ungeborene, wehrlose menschliche Leben im Mutterleib hat keine Lobby.“ Genauso wie Hahne nie ungewollt schwanger wird, hat er auch sonst wahrlich wenig zu Jammern: Er kann sich bester Kontakte zu Kohl & Co. bedienen, ist gefragter Referent in Wirtschaftskreisen und stärkt als Ratsmitglied der Evangelischen Kirche in Deutschland kirchenpolitisch seine konservativen Mitbrüder. Wen wundert's da noch, daß Hahne im Gebet für die Obrigkeit „die Krone weltpolitischen Handelns“ sieht. Und während die taz für ihn eher als „linke Meinungsschickeria“ gilt, erblickt er in der Welt „evangelistische Züge“. Wir tragen's mit Fassung, halten ihm wacker auch die linke Wange hin und wissen: Wer zuletzt kräht, kräht am besten.

Uwe Birnstein

Wer Peter Hahne „Auf der Suche nach dem Leben“ begleiten will, kann dies heute um 19.30 in der evangelische Kirchengemeinde Hamburg-Jenfeld, Görlitzer Straße 12, tun.

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