piwik no script img

Treuhand-Prozeß mit Bewährungsstrafe

■ Treuhand-Mitarbeiter wegen Bestechlichkeit zu zwei Jahren verurteilt / Zuletzt stand Aussage gegen Aussage

Mit einer Bewährungsstrafe ging gestern nach zähen Verhandlungstagen vor der 14. Strafkammer des Landgerichts Berlin der Treuhand-Bestechungsprozeß zu Ende. Trotz „großer Bedenken“ verurteilte die Vorsitzende der Kammer, Marianne Moritz, den Hauptangeklagten Dieter N. (50) wegen Bestechlichkeit und Verrat eines Betriebsgeheimnisses zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Der Mitangeklagte Klaus-Dieter H. (54) wurde freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte im Fall von Dieter N. auf zwei Jahre und zehn Monate Haft ohne Bewährung und für den Mitangeklagten Klaus Dieter H. (54) auf Freispruch mangels Beweisen plädiert. Die Verteidigung verlangte dagegen auch für N. einen Freispruch.

Sowohl N. als auch H. sollen als Mitarbeiter der Treuhand-Liegenschafts GmbH (TLG) im Herbst 1992 dem Grundstücksmakler Franz W. angeboten haben, für ein Schmiergeld in Höhe von 350.000 Mark diesen bei der Vergabe eines Grundstücks in der Köpenicker Landstraße in Lichtenberg bevorzugt zu behandeln. Zu diesem Zwecke hätten N. und H. laut Anklage die Bieterliste der TLG manipuliert. Als die Geldübergabe schließlich im April vergangenen Jahres über die Bühne gehen sollte, wurde Dieter N. verhaftet – der Makler hatte ihn zuvor bei der Treuhand und der Kripo angezeigt.

Das genaue Gegenteil behauptete dagegen Dieter N.: Statt Schmiergeld zu fordern, habe er einen Bestechungsversuch W.s, der verlangt hatte, das Gebäude auf besagtem Grundstück für abbruchreif zu erklären, abgelehnt. Daß er die Beziehungen zu W. daraufhin aufrechterhalten habe, begründete er damit, daß W. ihn bei seiner geplanten Existenzgründung mit einer größeren Geldsumme unterstützen wollte.

In diesem Zusammenhang habe er auch das Angebot von W. verstanden, im April die genannte Geldsumme zu überreichen. N., der die Frage aufwarf, warum W. das vermeintliche Angebot nicht bereits im Herbst 1992 zur Anzeige brachte, bezeichnete sich als Opfer der Intrigen W.s, der sich aus Wut über die nicht zustande gekommene Privatisierung an ihm rächen wollte.

Von Prozeßbeginn an stand die Anklage auf wackligen Beinen. So verschwieg die Staatsanwaltschaft, daß gegen ihren Hauptbelastungszeugen Franz W. selbst ein Ermittlungsverfahren wegen Bestechung anhängig war und versuchte statt dessen, W. als glaubwürdigen Geschäftsmann zu präsentieren, dem es vor allem darum ging, Mißstände bei der Treuhand-Tochter TLG aufzudecken. Das Plädoyer der Anklagevertretung veranlaßte N.s Verteidiger Gerhard Jungfer schließlich, vor allem mit Staatsanwalt Weidemann ins Gericht zu gehen. Der habe es versäumt, in alle Richtungen zu ermitteln und sei nicht einmal gegen seinen Zeugen eingeschritten, als sich vor Gericht erwiesen habe, daß dieser zu Unrecht einen Doktortitel führe und sich unter anderem der Steuerhinterziehung schuldig gemacht habe. Jungfers Fazit: Bei diesem Ermittlungsstand hätte das Verfahren gar nicht erst eröffnet werden dürfen. Er selbst wisse nicht, ob sein Mandant unschuldig sei. Aber nach den Aussagen des Belastungszeugen sei Dieter N. auf jeden Fall aus Mangel an Beweisen freizusprechen. Uwe Rada

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen