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Ruanda: UNO würde gerne eingreifen

■ Aber erst sollen die Kriegsparteien einen Waffenstillstand aushandeln / Neue UN-Resolution autorisiert die Entsendung erster Kontingente mit beschränkten Kompetenzen / Alle Soldaten kommen aus Afrika

New York/Berlin (AFP/wps/ taz) – Im Schneckentempo geht die Apathie der Vereinten Nationen gegenüber Ruanda zu Ende. Die Entsendung einer mehrtausendköpfigen Blauhelmtruppe in das zentralafrikanische Bürgerkriegsland, am 17. Mai schon einmal vom Sicherheitsrat beschlossen, ist jetzt mit einer neuen Sicherheitsratsresolution einen Schritt näher gerückt. In der am Mittwoch abend einstimmig verabschiedeten Resolution 925 beschloß die UNO formell die Entsendung von etwa zwei Dritteln der ursprünglich veranschlagten 5.500 Soldaten. Die Truppen sollen ausschließlich aus Afrika kommen: je 800 aus Äthiopien, Senegal und Zimbabwe; das bereits stationierte Kontingent aus Ghana wird auf ebenfalls 800 aufgestockt; dazu kommen insgesamt 500 Mann aus Kongo, Mali und Nigeria. Logistische Hilfe – also Ausrüstung und Transport – leisten die USA, Frankreich, Südafrika und Namibia.

Der Streit zwischen UNO-Generalsekretär Butros Ghali und der US-Regierung über die Art des Einsatzes, der eine UNO-Intervention wochenlang verhindert hatte, scheint beigelegt, da die jetzt verabschiedete Resolution schließlich von Washington eingebracht wurde. Die darin skizzierte Marschroute sieht einen kunstvollen Kompromiß vor: Wie von den USA gewollt, sollen die Soldaten sich darauf konzentrieren, „sichere humanitäre Zonen“ für Kriegsflüchtlinge zu schaffen und darin Hilfe zu leisten. Anders als von Butros Ghali einst gewünscht, sollen sie nur zur Selbstverteidigung schießen dürfen; sie sollen aber, wie es der UNO-Generalsekretär wollte, ihren Einsatz auf dem Flughafen der umkämpften Hauptstadt Kigali beginnen.

Die USA beglückwünschten sich selbst ob dieser Konstruktion: „Als Ergebnis unserer Arbeit hat der Sicherheitsrat vereinbart, daß dies keine hohle Resolution ist“, sagte vor der Abstimmung die US- amerikanische UNO-Botschafterin Madeleine Albright. „Wir schaffen eine Mission, die machbar ist.“ US-Diplomaten sagten, Washington habe darauf gedrängt, den Charakter der Ruanda-Mission erst dann zu definieren, wenn klar ist, wer daran teilnimmt. Daß ausschließlich afrikanische Staaten Soldaten schicken, scheint nun als Begründung dafür zu dienen, die Kompetenzen der Truppe möglichst klein zu halten.

Die jetzt gefundene Einsatzform garantiert ferner, daß die ganze Operation sich wieder um Wochen verzögert. Denn um in Kigali landen zu können, ohne schießen zu dürfen, und danach Flüchtlinge zu versorgen, muß der Krieg zwischen Regierungsarmee und der Guerillabewegung RPF (Ruandische Patriotische Front) vorbei sein, oder durch einen Waffenstillstand gestoppt werden.

Das heißt: Die Bemühungen der UNO werden sich auch in der nächsten Zeit auf die Versuche konzentrieren, Waffenstillstandsverhandlungen zwischen den Kriegsparteien in Gang zu bringen. Das kann noch lange dauern. Die Aushandlung des letzten Waffenstillstandsabkommens zwischen RPF und ruandischer Regierung 1993 dauerte ein halbes Jahr, und damals war es nicht zu so ausgedehnten Massakern gekommen wie jetzt. Gegenwärtig gestalten sich die Verhandlungen extrem schwierig, zumal sie unter dem Eindruck fortdauernder schwerer Gefechte um die Kontrolle von Kigali stattfinden. Regelmäßig werden sie mit der Versicherung, es habe Fortschritte gegeben, abgebrochen und am nächsten Tag fortgesetzt. Wie unter diesen Umständen bis zum vom Sicherheitsrat auf Drängen der USA festgesetzten Termin für die Beendigung der Ruanda-Mission – 6. Dezember 1994 – wirkungsvolle Arbeit geleistet werden kann, bleibt offen.

Während die UNO sich Zeit läßt, sterben die Ruander weiter. In Nyamirambo, einem derzeit heftig umkämpften Stadtteil Kigalis, töteten Angehörige der Regierungsmilizen nach UN-Angaben mindestens 70 Menschen, als sie eine Schule voller Flüchtlinge angriffen. In Kabgayi, einem kürzlich von der RPF befreiten Ort in der Nähe des Regierungssitzes Gitarama, töteten RPF-Kämpfer eine Reihe prominenter katholischer Geistlicher, darunter den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Thaddee Nsengiyumva, und die Bischöfe von Kigali, Byumba und Kabgayi. Sie befanden sich eigentlich unter dem Schutz der RPF, wurden jedoch nach Angaben der Guerillaführung von RPF- Soldaten irrtümlich für Teilnehmer an den Massakern gehalten, die Regierungssoldaten vor dem RPF-Einmarsch in Kabgayi angerichtet hatten. Die RPF – um ein versöhnliches Image bemüht – erklärte, einer der Täter sei erschossen worden, die anderen drei seien flüchtig und sollten vor ein Militärgericht gestellt werden. D.J.

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