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Was findet Barbie an Hannelore Kohl?

■ Das Lieblingsspielzeug der Kultursoziologen ist jetzt 35 Jahre alt geworden - das Focke-Museum feiert mit

Barbie hat Geburtstag. Und alle feiern mit. Auch das Landesmuseum schließt sich an. Schließlich ist das Modellpüppchen mit seinen 35 Jahren längst ein Stück Alltagskultur geworden. So prangt Barbie nun mit ihrem zeitlos frohsinnigen Antlitz zwischen den Altbremer Stilmöbeln: Wo ansonsten aus den Relikten damaliger Tischsitten und -gebräuche mühsam das Leben rekonstruiert wird, sind nun Bruchstücke der zeitgenössischen Kultur konserviert und angehäuft. Allerdings in fotografischer Form. Das Museum greift dabei auf den Bilderfundus des Fotografen Robert F. Hammerstiel zurück, der sich als Präparator unseres wundersamen Alltagslebens seinen Namen gemacht hat. Seine Mitbringsel aus der Welt der schönen, guten Waren sind nun in vier Kabinetten unter dem Titel „make it up“ zur Schau gestellt.

Wenn diese Exponate einmal fleißigen Archäologen in die Hände fallen – was werden sie nur daraus machen. Denn neben Bildern aus Barbies Puppenstubenwelt hängen, quasi gleichberechtigt, Aufnahmen aus der realen Wohnstubenwelt. Hier die hübsch drapierten Plastikmenschlein, dort die geballte Scheußlichkeit der ganz gemeinen Topfpflanzen- und Fototapeten-Gemütlichkeit. Museumsdirektor Jörn Christiansen hofft, mit dieser bunten Mischung ein wenig mehr Leben in die Bude zu bekommen: „Wie hohläugig stehen wir alle doch immer wieder vor den Museumsstilleben gedeckter Tische in Vitrinen mit stilvollem Porzellan und Glas“, sagt er; „wie starr vor den Schausammlungsensembles von Stilzimmern, die allesamt Relikte menschlicher Kultur sind, ohne den Menschen darin sichtbar machen zu können.“

Die Menschen aber sind auch in Hammerstiels Bildern abwesend. Es dampfen die Knödeln, es kräuselt sich das (Wachs-)Tischtuch, es glänzt die Konservenbüchse – aber von den Mittagstischlern, die das angerichtet haben, keine Spur. Menschenleer die Eßzimmer, die bescheidenen; menschenleer auch die Kochnischen und all die anderen, liebevoll verkitschten Trümmerecken, auf die Hammerstiel mit Vorliebe sein Objektiv richtet. Das ist natürlich clever arrangiert. Die heimischen Stuben wirken hier ebenso echt bzw. künstlich wie Barbies putzige Welt. Ob nun das bürgerliche Wohn- und Kinderzimmer eine Imitation der Puppenstube ist oder umgekehrt – über solche Fragen läßt sich in dieser Ausstellung trefflich schwadronieren. Zusätzliches Futter liefert eine kleine Begleitschau von heimischen Studierenden der Kulturwissenschaften: Bilder von BigMäcs, Tiefkühlhühnchen und TV-Serien, welche nochmals die galoppierende Verquickung der Werbung mit dem Rest der Welt illustrieren soll.

So droht Barbie, von Natur aus ja eher schlichten Gemüts, an ihrem Geburtstag zum Lieblingsspielzeug der Kultursoziologen zu werden. Die Fragen, die dabei erörtert werden sollen, sind freilich nicht eben neu. Daß die Bilder der heilen Werbewelt, all die Fotografien und Filmchen, sich zunehmend mit der Wahrnehmung unseres stinknormalen Alltags vermischen; daß Barbie vielleicht schon ein ebenso realer Charakter sein könnte wie, sagen wir, Madonna oder Hannelore Kohl: Dieses ganze Simulationsgequatsche von Sein, Schein und Wirklichkeit wird hier nochmals aufgewärmt, und bis zum Überdruß. Die allzu clevere Methode droht so den Charme der Bilder zu überstrahlen. Denn all die Alltagsdinge sind hier doch in ihrer schönsten Schimmeligkeit festgehalten. Und nie sah Barbie besser aus als in Hammerstiels großformatigen Porträts. Thomas Wolff

bis 31.7. im Focke-Museum, Schwachhauser Heerstr. 240

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