Haase verschwendet 2,4 Milliarden Mark

■ Straßenbahn soll neue U-Bahn-Linie unter dem Tiergarten ersetzen können / Gutachten verheimlicht, Zahlen manipuliert

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und die Verkehrsverwaltung halten ein Gutachten zurück, nach dem der geplante U-Bahn- Tunnel unter dem Tiergarten nicht gebaut zu werden bräuchte. Auszüge aus der Studie, die die U-Bahn-Linie 5 (Alexanderplatz– Jungfernheide) mit einer alternativen Straßenbahnstrecke vergleicht, stellte gestern die Fraktion Bündnis90/Die Grünen vor. In dem Gutachten der Gesellschaft für Informatik, Verkehrs- und Umweltplanung (IVU) heißt es, daß die „Varianten U 5 und Tram vergleichbare Qualitäten aufweisen“. Für den Fahrgast soll die Straßenbahn im Endeffekt genauso schnell sein wie die Untergrundbahn. Bei einem Verzicht auf den Bau der rund neun Kilometer langen U-Bahn-Strecke könnten 2,4 Milliarden Mark gespart werden, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Michael Cramer.

In der Auseinandersetzung um die umstrittene U 5 warf der Abgeordnete der Verkehrsverwaltung eine „bewußte Täuschung“ von Öffentlichkeit und Parlament vor. In einer Antwort auf seine Anfrage habe die Verwaltung behauptet, daß die Straßenbahn nur 9.600 Fahrgäste pro Richtung und Stunde befördern könne. Die BVG hatte der Verwaltung allerdings eine andere Zahl vorgelegt: 19.200 Fahrgäste. Das entsprechende Schreiben von den Verkehrsbetrieben an die Senatsverwaltung legte Cramer gestern auf einer Pressekonferenz ebenfalls vor. Die von der BVG angegebene Kapazität sei für die auf der Strecke zu erwartende Zahl von Fahrgästen ausreichend, sagte der Verkehrsexperte. Die Verwaltung hatte in der Vergangenheit damit argumentiert, daß die Leistungsfähigkeit einer Straßenbahn den Anforderungen nicht genüge.

Der Sprecher der Verkehrsverwaltung, Tomas Spahn, wies Cramers Vorwürfe zurück. Der Satz aus dem BVG-Schreiben sei „nicht verlorengegangen“, sondern die Schätzung unrealistisch. Die Zahl von knapp 20.000 Fahrgästen sei nur zu erreichen, wenn die Tram zwischen Alexanderplatz und Lehrter Bahnhof nicht von anderem Verkehr gekreuzt werde. Die BVG beharrte gegenüber der taz dagegen auf ihrer Berechnung. „Bei einem Fahrtakt von einer Minute stimmt die Zahl“, sagte ein Mitarbeiter.

Cramer vermutete denn auch ganz andere Gründe bei der Ablehnung der Tram. Sie fahre im Gegensatz zur U-Bahn oberirdisch und nehme dem Autoverkehr Platz weg. Er erinnerte daran, daß der Autoverkehr in einer Stunde auf einem Fahrstreifen von drei Meter Breite durchschnittlich 900 Personen befördere, die Tram aber mehr als das 20fache. Angesichts der rund neun Milliarden Mark, die trotz Neuverschuldung in den beiden kommenden Jahren im Haushalt fehlten, müsse die Diskussion um die U 5 geführt werden. Die S-Bahn-Linie 21 – sie war ebenfalls unter dem Tiergarten geplant – ist bereits gestrichen worden. Cramers Prognose: „Die U 5 wird auch sterben.“ Dirk Wildt