Clinton und Kim Il Sung im Clinch

■ Nordkorea aus IAEO-Atombehörde ausgetreten / Clinton kündigt harte Sanktionspolitik an

Tokio (taz) – Unter den besorgten Blicken asiatischer Regierungen hat sich der ungewöhnliche Zweikampf zwischen US- Präsident Bill Clinton und seinem atomaren Herausforderer, dem nordkoreanischen Präsidenten Kim Il Sung, in den vergangenen Tagen dramatisch zugespitzt. Für die Kontrahenten steht inzwischen nicht weniger als die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Abschreckungspolitik und das Überleben des nordkoreanischen Regimes auf dem Spiel.

Gestern befanden sich die USA auf klarem Konfrontationskurs. In Telefongesprächen mit dem russischen Präsidenten Boris Jelzin und dem japanischen Premierminister Tsutomu Hata versuchte Clinton die wichtigsten Verbündeten in der Nordkoreakrise auf eine harte Sanktionspolitik einzuschwören. Sowohl Jelzin als auch Hata sicherten dem US-Präsidenten ihre Unterstützung zu. Mit einem Stufenplan für Sanktionen, der bis heute dem Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen vorgelegt werden soll, wollen die USA nunmehr Nordkorea zwingen, das unkontrollierte Atomprogramm des Landes aufzugeben. Unmittelbaren Anlaß dafür gab die Weigerung Nordkoreas, internationale Kontrollen bei der Entladung von Brennstäben im nordkoreanischen Atomreaktor von Yongbyon zuzulassen. Nach Auffassung der USA können die Nordkoreaner aus dem in Yongbyon gewonnenen Plutonium inzwischen vier bis fünf Atombomben herstellen.

Damit es so weit nicht kommt, sollen in der ersten Phase des US-Sanktionsplans alle technischen Hilfen und kulturellen Förderprogramme für Nordkorea eingestellt werden. Die zweite Sanktionsphase, welche spätestens zum Zeitpunkt des nordkoreanischen Austritts aus dem Atomwaffensperrvertrag einsetzen würde, sieht eine Waffen- und Handelsblockade sowie einen Stopp für Geldzahlungen nordkoreanischer Angehöriger aus Japan vor. Doch bereits an diesem Punkt bröckelt die Anti-Nordkorea-Front. So betonten gestern japanische Diplomaten, daß über die zweite Sanktionsphase nach wie vor keine Einigung mit Washington bestehe. Die diplomatischen Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA und Japan könnten indessen Nordkorea in seiner kompromißlosen Haltung bestärken. Nachdem das Land bereits am Montag seine Mitgliedschaft in der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) – ein fast ausschließlich symbolischer Schritt – aufgekündigt hatte, glauben Beobachter, daß Kim Il Sung auch mit dem Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag nicht zögern würde, falls der Weltsicherheitsrat noch in dieser Woche Sanktionen verhängt. Aus diesem Grund herrscht in Pjöngjang ein außerordentlich reger politischer Reiseverkehr. Aus Tokio trafen in den letzten Tagen bereits zwei hochrangige Parteidelegationen ein, heute folgt ihnen der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter in die nordkoreanische Hauptstadt. Alle hoffen, in letzter Minute den Austritt Nordkoreas aus dem Atomwaffensperrvertrag verhindern zu können. Das aber erscheint von Tag zu Tag unwahrscheinlicher.

Nordkoreas kommunistisches Regime kann nur in Opposition zum ringsherum aufblühenden Kapitalismus überleben – Sanktionen würden für Kim Il Sung die Feindlichkeit des Auslands unter Beweis stellen. Für Bill Clinton aber stellt die nordkoreanische Atomdrohung nicht nur die Zukunft des Atomwaffensperrvertrages in Frage, der den fünf anerkannten Atommächten ihren exklusiven Status sichert. Auch gegenüber Südkorea und Japan, wo nach wie vor Zehntausende von US-Soldaten stationiert sind, muß Clinton zeigen, wer der Herr in Asien ist.

Georg Blume Seiten 8 und 10