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Schwankender Boden

■ Der Senat beschloß Verhandlungen über den Stadtwerke-Verkauf – mit einer ganzen Serie sich widersprechender Rahmenbedingungen

Teuer ist die Klöckner-Beteiligung der Stadtgemeinde Bremen, weil mit kurzfristigen Krediten finanziert. Längst also wäre die Finanzierung über den Verkauf von Stadtwerke-Anteilen fällig gewesen – doch die am Bremer Senat beteiligten politischen Kräfte konnten sich nicht auf eine Verhandlungsstrategie einigen. Am vergangenen Dienstag hat der Senat nun mitgeteilt, er habe einen Verhandlungsauftrag beschlossen (vgl. taz 15.6.) – das Protokoll dieses Beschlusses ergibt aber eher das Bild eines Schweizer Käse als das eines klaren Verhandlungsauftrages.

Den „Verhandlungsauftrag“ mußte der Senator für Finanzen erhalten, das entspricht der Verteilung der Zuständigkeiten im Senat. Und Kröning hat auch immer wieder Termine angekündigt, bis zu denen die Verträge endlich unterschrieben sein sollten. Doch der Eindruck ist nicht von der Hand zu weisen, daß die Mehrheit des Senats die Stadtwerke-Verkaufsverhandlungen so lange hinausgezögert haben, bis sie sicher sein konnten, daß Kröning sie nicht mehr entscheidend beeinflussen kann.

Der Nachfolger Manfred Fluß wird sich erst einmal mit seinem Ressort arrangieren müssen, bevor wirklich deutlich werden kann, wohin denn nun die Reise geht. Der Senatsbeschluß berücksichtigt dies durch ein Zweistufen-Modell: Zwar sollen „bis zu 49,8 Prozent“ veräußert werden, zunächst soll aber nur über den Verkauf von 24,9 Prozent der Stadtwerke-Anteile verhandelt werden. „Ehe endgültig über die Verwertungsart der 2. Marge entschieden wird“, sollen Alternativen zum Verkauf (“Bankenlösung, sale and lease back“) geprüft werden.“

Die Rahmenbedingungen der Verhandlungen (“energiepolitische Ziele“, „Energiestiftung“, „Wasserkraftwerk“) hat der Senat nicht beschlossen, sondern er nimmt nur „zur Kenntnis“, daß es eine Erklärung des Bürgermeisters dazu gibt.

Kaum war dieser schwankende Boden für die Verhandlungen hergestellt, hagelte es Erklärungen: Die beiden grünen SenatorInnen gaben zu Protokoll, „daß der Koalitionspartner Die Grünen sich eine definitive Entscheidung über die Höhe des Verkaufs von Anteilen der Stadtwerke vorbehält“. Jegliche Verhandlung über die „2. Marge“ steht also unter dem Damoklesschwert, daß die grüne Mitgliederversammlung das Thema zur Koalitionsfrage macht.

Die grünen SenatorInnen Fücks und Trüpel „weisen ferner darauf hin“, daß die Grünen sich gegen einen Verkauf an den Atomstrom-Konzern Preag ausgesprochen haben. Was heißt: „weisen darauf hin“? Ein Wink mit der drohenden Mitgliederversammlung? Jedenfalls keine klare Einschränkung des Verhandlungsauftrages.

Der scheidende Finanzsenator gab sozusagen das Gegenteil zu Protokoll: 820 Millionen betrage der Finanzbedarf außerhalb des Haushaltes, und der müsse über Verkäufe der Anteile an den beiden Wohnungsbaugesellschaften BBG und Brebau und die Stadtwerke-Anteile zusammenkommen, „mindestens 49,8 Prozent der Stadtwerke“ müßten es deshalb sein.

Und dann gab auch noch der Wirtschaftssenator zu Protokoll, daß ihn die energiepolitischen Verhandlungsziele nicht interessieren: Ein „optimaler finanzieller Erlös“ und die „Sicherung wettbewerbsgerechter Energiepreise“ seien als Verhandlungsergebniswichtig, sonst – nichts.

Ja und dann gibt es da noch einen Vorbehalt, der in dem Senatsbeschluß erst gar keine Berücksichtigung gefunden hat: Die Stadtwerke sind ein paritätisch mitbestimmtes Unternehmen, die Hälfte des Aufsichtsrates wird von Arbeitnehmer- und GewerkschaftsvertreterInnen gestellt. Sie beharren darauf, daß die Betriebsvereinbarungen übernommen werden. Aber wieviel würde ein Investor für Stadtwerke-Anteile bezahlen, wenn zu befürchten ist, daß die Rentabilität der Stadtwerke so gering bleibt wie sie es heute ist?

Ohne Zustimmung der Arbeitnehmerbank wäre eine Entscheidung über den Verkauf nur möglich, wenn der Aufsichtsratsvorsitzende von seiner „Doppelstimme“ Gebrauch machen würde. Das wird er aber nicht tun, denn Aufsichtsratsvorsitzender ist nicht mehr wie vor einigen Jahren noch der Finanzsenator mit eindeutiger Interessenlage, sondern – Bürgermeister Wedemeier, und der muß wenige Monate vor der Bürgerschaftswahl politische Rücksicht nehmen auf die Stimmung im Arbeitnehmerlager.

Die Rahmenbedingungen der Verhandlungen sind mit dem Senatsbeschluß also genauso unklar wie sie es in den vergangenen Monaten waren. Die Stadtgemeinde Bremen geht in die Verhandlungen mit einer ganzen Serie sich widersprechender Interessenlagen, von denen jede am Schluß durch das ganze Verhandlungsergebnis einen dicken roten Strich machen könnte. K.W.

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