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Bitte noch ein Wernesgrüner!

■ Vogtländische Premium-Brauerei wird von Treuhand an Alteigentümer verkauft

Dresden (taz) – In Sachsen gibt es eine blühende Bierblumenlandschaft. Während der Bierkonsum deutschlandweit um vier Prozent zurückgegangen ist, konnten sich ostdeutsche Brauereien an zweistelligen Zuwachsraten berauschen. Der Präsident des Deutschen Brauerbundes, Michael Dietzsch, weiß, woran das liegt: Im Osten trinken Durstige immer öfter einheimisches Markenbier. Spitzenreiter in den neuen Ländern ist der grün-weiße Freistaat.

In der vogtländischen Gemeinde Wernesgrün gibt es heute Grund zum Feiern. Die Wernesgrüner Brauerei AG wird an ihre Alteigentümer verkauft. Damit bleibt das traditionsreiche Wernesgrüner Pilsner in sächsischen Händen. Äußerst komplizierte Eigentumsverhältnisse hatten die Privatisierung lange verzögert. Die begehrte Brauerei war aus zwei Firmen hervorgegangen, aus der 1972 verstaatlichten Wernesgrüner Brauerei KG und der 1945 enteigneten Grenzquell OHG. So galten unterschiedliche rechtliche Bestimmungen für die beiden Firmenteile. Das Landesamt für offene Vermögensfragen in Sachsen hatte beide Teile in zwei Bescheiden mit unterschiedlicher Größe festgelegt – für die Alteigentümer 51,03 Prozent beziehungsweise 48,2 Prozent, den Rest für die Treuhandanstalt. In einem Vertrag vom Dezember 1993 war dann von 49 Prozent Treuhandanteil die Rede. Dieser sollte an die Schultheiß-Firma Dortmunder Brau und Brunnen AG verkauft werden.

Wernesgrün-Erbe Christian Wolf wollte die historische Marke von Anfang an allein in einheimischen Händen behalten, denn „Bier aus Wernesgrün hätte Brau und Brunnen nur unter einem anderen Namen verkaufen dürfen“. Aber wer hätte dann ein Dortmunder Wernesgrüner bestellt? Die Sachsen jedenfalls nicht. Der Schwabe erlernte im Schnellkurs alles, was man noch über Bier wissen muß, investierte sechzig Millionen Mark, kündigt weitere hundert Millionen an und schwärmt bereits von einer der modernsten Brauereien Deutschlands. Vor zwei Wochen trat Brau und Brunnen vom Vertrag zurück. Vorstandssprecher Friedrich Ebeling führte angesichts der rechtlichen Probleme „erhebliche Zweifel“ an, „daß die Treuhand uns in absehbarer Zeit die Anteile übertragen kann“.

Wolf würdigte diesen Schritt als „Etappensieg“ auf dem Weg zur „sächsischen Lösung“. Die Treuhand erklärte, daß die Alteigentümer ihr Teil durch Reprivatisierung zurückerhalten; den anderen Batzen könnten sie auf Basis des Zuerwerbsrechts nach Vermögensgesetz kaufen. Wolf spricht von einem „sächsischen Bankenkonsortium“, das nun die Treuhandanteile übernehmen soll. Brau und Brunnen bleibt mit drei Prozent an der Brauerei beteiligt.

Heute will die Treuhand Einzelheiten der „gütlichen Einigung“ mit den Alteigentümern vorstellen. Wernesgrüner Bier war in der DDR eine Rarität, erhältlich nur in Nobelrestaurants und unter dem Ladentisch. Auch als „Zahlungsmittel“ für Handwerker und ähnlich anspruchsvolle Spezies soll es sich bewährt haben. Heute hat die Brauerei noch 270 Beschäftigte. 500.000 Hektoliter Premium-Pils fließen heute in durstige Kehlen und machen das Vogtland-Nest, das nicht einmal auf allen Sachsen- Landkarten verzeichnet ist, geradezu weltberümt. Detlef Krell

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