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Streit ums Atom, heute im CCH

■ HEW-Hauptversammlung: Zoff um Atomausstieg und Streit mit Kiel / Entschädigung für KZ-Zwangsarbeiter gefordert Von Marco Carini

Viel Stoff für Zoff. Auf der heutigen Aktionärsversammlung der Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) steht die Atompolitik des Stromversorgers im Schußfeld der Kritik. Der Vorstand treibe den in der Satzung festgeschriebenen Atom-Ausstieg ungenügend voran: „Es geschieht fast nichts, um die Atomkraft durch regenerative Energieformen zu ersetzen.“ Ein Aktionär schlägt deshalb vor, 60 Prozent der Dividende in Zukunftstechnologien zu investieren.

Zusätzlichen Zündstoff erhält die Aktionärsversammlung durch eine neue Klage der HEW gegen die schleswig-holsteinische Landesregierung: 1,5 Millionen Mark Schadensersatz will der Energiekonzern vor dem Landgericht Kiel erstreiten, weil das Energieministerium 1992 ein Wiederanfahren des abgeschalteten Atomreaktors Brunsbüttel nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts rechtswidrig vier Tage verzögert hatte.

Während Kiels Energieminister Claus Möller „dem Verfahren in Ruhe entgegen“ sieht, prüfen die HEW derzeit auch eine Millionenklage gegen Kiel wegen der derzeitigen Stillstände von Krümmel und Brunsbüttel. Der Vorwurf: Kiel verzögere die Reparatur beider Reaktoren.

Ein weiterer Knackpunkt, der im CCH zur Sprache kommen wird: die gerade bekanntgewordene Beteiligung der HEW an der Entwicklung einer neuen Generation von Atomanlagen. Die Behauptung der HEW, die Finanzbeteiligung diene nur „der Verbesserung der Sicherheit bestehender Atomanlagen“, sei „absolut unglaubwürdig“, kritisiert etwa der Atomexperte des Ökoinstituts Darmstadt, Lothar Hahn: „Wenn man Sicherheitsprobleme lösen will, muß man gezielt die Schwachstellen bestehender Anlagen analysieren“. Die Erforschung neuer Reaktorsysteme hingegen mache „im Rahmen der Sicherheitsforschung überhaupt keinen Sinn“. Eine Beteiligung des Hamburger Stromversorgers an den Projekten, die „eindeutig dem Ziel“ dienten, „neue Atomanlagen zu entwickeln“, sei zudem „mit der ausstiegsorientierten HEW-Satzung unvereinbar“.

Neben den jährlich wiederkehrenden atomkritischen Anträgen von KleinaktionärInnen kommt heute erstmals auch ein dunkles Kapitel der HEW-Geschichte auf den Tisch: die Zwangsarbeit polnischer KZ-Häftlinge beim Bau des HEW-Kraftwerks Alt-Garge im Zweiten Weltkrieg. Im Interesse der noch lebenden Betroffenen stellt eine Aktionärin den Antrag, den Jubiläumsbonus von zwei Prozent diesmal nicht auszuschütten.

Stattdessen solle mit dem Geld ein Fonds gebildet werden, „aus dem Entschädigungen an die ehemaligen Zwangsarbeiter des KZ Neuengamme gezahlt werden“.

„Die von den Antragstellern vorgetragenen Meinungen werden nicht geteilt“, kommentiert die HEW, die mehrheitlich der Stadt Hamburg gehört, in ihrer Aktionärsmitteilung. Im Klartext: Die Anträge werden zwar diskutiert, anschließend aber niedergestimmt. Same procedure as every year.

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