: Unmenschliche Haftbedingungen
■ Unsägliche Zustände in Abschiebeknästen / Ermittlungsverfahren gegen Wachpolizisten eingeleitet
Nach Klagen von Abschiebehäftlingen im Polizeigewahrsam in der Kruppstraße ist gegen einen Wachpolizisten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Der Beamte soll Gefangenen für einen Becher heißen Wassers zwei Mark und für eine Literflasche zehn Mark abgenommen haben. Das sagte der ausländerpolitische Sprecher der SPD, Eckhardt Barthel, am Dienstag nach einem Ortstermin des Ausländerausschusses.
Die parlamentarische Kurzvisite in den Abschiebeknästen Kruppstraße und Gothaer Straße hat die Beschwerden über unmenschliche Haftbedingungen, die Flüchtlingsgruppen und Kirchenvertreter erhoben haben (taz berichtete), bestätigt. Die meisten Abgeordneten waren entsetzt. „Unfaßbar“ und „beklemmend“ sei das gewesen, was er da hinter den Mauern der Polizeigewahrsame gesehen habe, sagte Ismail Kosan von Bündnis 90/Die Grünen. Mit dem Abstecher hinter die Gitter der Polizeigewahrsame, den die CDU-Abgeordneten boykottierten, reagierte das Gremium auf einen Beschwerdebrief Traudl Vorbrodts von der Organisation Asyl in der Kirche: Unzureichende Besuchsmöglichkeiten, Fälle von Mißhandlungen und Willkürmaßnahmen von Beamten hatte sie darin beanstandet.
Offenbar nimmt es die Innenbehörde mit schutzwürdigen Interessen der Häftlinge nicht so genau. Entsprechende Hinweise dafür erhielten die Parlamentarier beim Rundgang aus erster Hand: Ein Afrikaner, sagte Kosan, habe sich beispielsweise darüber beschwert, daß er von einem Beamten in der Kruppstraße mit einem Riemen geschlagen worden sei. Die deutlich sichtbare Wunde am Hals des Mannes habe er selbst gesehen. Anderen Gefangenen werde regelmäßig medizinische Behandlung verweigert. Um einen an Kehlkopfkrebs leidenden Mann, der „kaum noch atmen und nicht mehr sprechen“ könne, kümmert sich laut Kosan statt eines Arztes nur der Wärter: „Sie verabreichen ihm massenweise Pillen.“ Kosan klagte auch darüber, daß der Haftrichter die Gefangenen bei Haftprüfungsterminen „im Drei-Minuten-Takt abfertigt“. Traudl Vorbrodt von Asyl in der Kirche kritisierte die hygienischen Verhältnisse. Ein 23jähriger Liberianer stecke „seit fünf Monaten in derselben Unterhose“, weil es im Knast keine Waschmöglichkeit gebe. Journalisten, die die Abgeordneten begleiten wollten, wurde der Zutritt verwehrt. „Presse kommt in diesen Laden nicht rein – aus Sicherheitsgründen“, meinte ein Polizeibeamter, der auf eine entsprechende Weisung von Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) verwies. Auch geharnischte Proteste von Barthel bei Innenstaatssekretär Armin Jäger wurden abgeblockt. Zu groß war die Sorge Jägers um die Persönlichkeitsrechte der Gefangenen. Frank Kempe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen