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Donnernde Jets und ein Südkoreaner

■ Vergangenes Wochenende waren die Berliner Teilnehmer bei den Norddeutschen Bogen-Meisterschaften am treffsichersten

Auf der Bogenschießanlage Keustück in Hamburg-Langenhorn sieht es während der Norddeutschen Meisterschaften der Bogenschützen im Freien (Fita) wie bei einem Ritterturnier aus. Auf der einen Seite der 200 Meter langen Wiese reihen sich Zelte und Sonnenschirme dicht an dicht. Davor ruhen in ihren Halterungen Bögen vielfältigster Farbgebung, deren Stabilisatoren und Wurfarme eine glitzernde Hecke bilden. Ihnen gegenüber stehen 54 Scheiben mit weißen, schwarzen, blauen, roten und gelben Ringen. Die Burg bilden zwei finnische Massivholzhäuser, in denen Clubhaus und Materiallager der Hamburger Schützen Gilde (HSG) untergebracht sind.

Die Sonne sticht vom blauen Himmel herab. Ein leichter Wind sorgt zwar für ein wenig Kühlung, stört die SchützInnen aber beim Schießen. Die ländliche Stille wird alle paar Minuten vom Donner startender und landender Flugzeuge durchbrochen. „Schreiben Sie es ruhig“, wettert der Platzwart, „es ist zu windig und zu laut!“

Ein Tröt-Signal ertönt. Die vornehmlich weiß gekleideten TeilnehmerInnen, 209 an der Zahl, erheben sich von ihren Klappstühlen und stellen sich mit ihren Bögen an der Schießlinie auf. „Geschossen wird auf Distanz: die Herren auf 90, 70, 50 und 30 Meter, die Damen und Junioren auf 70, 60, 50 und 30 Meter“, erklärt der Organisator und Bogenreferent des Hamburger Schützenbundes Uwe Tomhave. Die SchützInnen legen den Pfeil ein und ergreifen die Sehne mit den drei mittleren Fingern, der sogenannten Klaue. Ein kurzes Verharren, Konzentration, viel Zeit bleibt aber nicht: Innerhalb von vier Minuten müssen sechs Pfeile abgefeuert werden, was pro Distanz 36 Pfeile und 144 Schüsse für die Gesamtwertung macht.

Das gelbe Zentrum der Scheibe im Visier, spannen die SchützInnen die Sehne bis an Mundwinkel oder Wange. Bogenhand, Arm, Schulter und Zugarm bilden eine gerade Kraftlinie. Auge und Visier die zweite, beide treffen im Gold der Scheibe zusammen. Die Anspannung ist fast greifbar. Und dann: Wie ein Hornissenschwarm schnellen die Pfeile von den Sehnen, fliegen über die Wiese und treffen die Scheiben. Mit unterschiedlichem Erfolg: Gelb gibt 10/9 Punkte, rot 8/7, blau 6/5, schwarz 4/3 und weiß 2/1 Punkte. Die Maximalpunktzahl von 1.440 Ringen hat bis dato noch niemand erreicht: „Den Weltrekord hält ein Südkoreaner mit 1.352 Punkten“, so Tomhave.

Um 17 Uhr haben über 30.000 Schüsse die Scheibenauflagen durchlöchert. Die Sieger stehen fest: Bei den Männern hat sich Deutschlands Spitzenschütze Stefan Griem aus Berlin den Titel mit 1.291 Ringen erschossen, in der Frauen-Klasse wurde die Berlinerin Cornelia Pfohl mit 1.249 Ringen Siegerin. Bester Hamburger wurde als Dritter Jens Lott mit 1.222 Ringen.

Bevor die frischgeschossenen MeisterInnen auf das aus Scheiben zusammengelegte Siegertreppchen steigen konnten, mußten sie sich noch etwas gedulden. Der Computer war abgestürzt und alle Ergebnisse mußten umständlich per Hand errechnet werden. „Das war die einzige Pleite“, zieht Uwe Tomhave eine positive Bilanz, „sonst lief alles nach Plan.“ Eine gelungene Generalprobe also für die Deutschen Meisterschaften im August an selber Stelle.

Edwin Feindt

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