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Village VoiceDoch ich rufe

■ Unerhörtes von Subway To Sally und den Space Hobos

„Album 1994“ hat die aus Potsdam und Berlin stammende Band Subway To Sally ihr Debüt genannt. Der Titel als Programm: „1994“ war 1993 schon fertig und eingespielt, nur ging die Distribution so geheime Wege, daß die Platte erst jetzt so richtig ans Licht kommt.

Vielleicht kein Zufall: Subway To Sally scheinen, wenn man den Erfolgsmeldungen des Infos vertraut, wieder ein typisches Beispiel für eine Band zu sein, die in den sogenannten neuen Ländern ein ziemliches „Thema“ ist (heißt: gute Plattenverkäufe, ausverkaufte Clubs und Radioeinsätze – siehe auch Keimzeit oder die Inchtabokatables), nach der im Westen aber kein Huhn seinen Hals umdreht.

„Folkadelic“ nennt die siebenköpfige Band ihren Sound, und in diesem Sinn werden Traditionals ausgegraben und mit eigenem Soundgewand versehen. Das besteht dann aus ein paar Metal-Einlagen, noch mehr fiesen rockistischen Gniedeleien, am allermeisten aber aus der typischen, mit Folk gemeinhin gleichgesetzten Ver(un)zierung der Songs durch massig Mandolinen und Violinen – zweimal kommt gar ein Dudelsack zu Ehren.

Auch die Lyrics der Stücke, die Subway To Sally dann ohne althergebrachte Vorlage komponiert haben, stammen aus fremder Feder: Vincent W. Thomas und ein gewisser Hathor kommen am häufigsten in den Genuß, musikalisch interpretiert zu werden, was sich in dem Song „(Es ist) an der Zeit“ wie folgt anhört: „Ich steh auf der untersten Stufe / Der Weg nach oben ist weit / Es hat keinen Sinn, doch ich rufe / Es ist an der Zeit / Doch steh' ich hier nicht alleine / Die Armee der Verlierer ist groß / Wir stehen wie das Vieh auf der Weide / Und warten auf das große Los.“

Manchmal stimmt halt das Klischee von kalter Individual-/ Konkurrenzgesellschaft versus warmer Zusammengehörigkeit und Nischentum, so daß selbst die Rockmusik, die zusammengehört – zusammen gehört werden will –, nicht zusammenwächst. Insgesamt erinnert das „Album 1994“ an ein braves, liebes, verträumtes Happening, ist irgendwie zwar schön, aber muffig; smells like Siebziger-Jahre- Innerlichkeit, Achtziger-Friedensbewegung und Neunziger- Trübnis, ganz konzentriert auf der Suche nach dem verlorenen Idyll.

Anders die Space Hobos, die schon seit geraumer Zeit durch das Berliner Sounduniversum reiten. Sie stellen sich trotzig der großen Verarsche, manipulieren an ihr herum, kennen den big sleep und machen auf ihrem Album „Have Pocket, Will Travel“ einen Ausflug in die große weite Welt des instrumentellen Cow- Psychobilly-Fifties-Sounds, so aufgeweckt wie Nachbars Lumpi, so tiefgründig wie manche Serienpsychologie.

Designt werden Hobos-Veröffentlichungen immer mit dem guten Comic, dem gespielten Witz. Dieser läßt diesmal das Raumschiff von Gitarrist Space, Bassman Mister Gun und Schlagzeuger Steven Webster auf der Reise in den Berliner Pop-Himmel in das Energiefeld eines unbekannten Flugobjekts called „Schwurbsfähre“ geraten, welches die drei sagenumwobenen Hobos vorerst auf den Planeten der Schwurbs zieht. Dort haben die drei dann einen ganz starken, vielumjubelten Auftritt und können nicht umhin, auf längere Schwurbstour zu gehen.

Doch im richtigen Leben muß man sich vorerst mit den Liedern der Space Hobos begnügen, immer flott nach vorne und manchmal im Fünfachteltakt. Nach „go pussy go“ folgt ihre „Zukunftsmusik“, an „Cosmic Energy“ und spacig-spaßigen Ausflügen in Morricone-Land wollen es die Hobos nicht fehlen lassen, denn was haben Western und Universum nicht alles gemein?!

Mit „Balla Balla“ und dem „Man With The Golden Arm“ zeigt sich die Band ebenfalls ganz firm in der Musikgeschichte, die sie mit solch gewagten Stücken auf elegant-hobige Weise interpretiert. Schön billy billy, könnte genausogut der Soundtrack für jede seriöse Party wie für die beiden Kanada-Reisenden aus „Liebling Kreuzberg“ sein. Gerrit Bartels

Subway To Sally: „Album 1994“ (Costbar/EfA)

Space Hobos: „Have Pocket, Will Travel“ (Sputnik/EfA)

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