: In der Koalition stimmt die Chemie
■ In Sachsen-Anhalt ist der rot-grüne Vertrag perfekt / Chemielobbyist Uhlig tritt nicht an
Magdeburg (taz) – Die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Bündnis90/ Die Grünen in Sachsen-Anhalt wurden gestern abgeschlossen. Gleichzeitig hat der designierte Wirtschaftsminister der SPD, der Geschäftsführer des Landesverbandes der chemischen Industrie Ostdeutschlands, Volkhardt Uhlig, endgültig die Segel gestrichen. Er stehe einer rot- grünen Minderheitsregierung nicht als Minister zur Verfügung, sagte Uhlig, der lieber in einer Großen Koalition das Wirtschaftsressort übernommen hätte. Zwar behauptet Uhlig, das Wirtschaftsprogramm der SPD voll und ganz vertreten zu können, im selben Atemzug sagte er gestern jedoch auch, daß ihn die beiden künftigen Koalitionspartner in den Verhandlungen nicht ausreichend von ihrer wirtschaftspolitischen Kompetenz überzeugt hätten. Hintergrund sind offenbar die Koalitionsvereinbarungen insbesondere zur Zukunft der Chemieindustrie in Sachsen- Anhalt. Weil weder die SPD noch die Bündnisgrünen Uhlig eine Bestandsgarantie für die Chlorchemie geben wollten, stieg der Chemiemanager aus.
Dabei sind die künftigen Koalitionspartner der chemischen Industrie in den Vereinbarungen zur Zukunft der Chlorchemie ein ganzes Stück entgegengekommen. Entgegen den Forderungen eines Großteils der bündnisgrünen Basis vereinbarten SPD und Bündnis kein Ausstiegsszenario für die Chlorchemie, sondern gehen davon aus, daß sich diese Angelegenheit spätestens ab Beginn des nächsten Jahrtausends ganz von selbst erledigt. „Die Chlorchemie ist keine sonderlich innovative Technologie und wird deshalb im nächsten Jahrtausend kaum noch marktfähig sein“, findet die Grünen-Politikerin Heidecke. „Sie wird deshalb zunehmend an Bedeutung verlieren.“ Heute vormittag wird im Magdeburger Landtag bei Sekt und Wein der Koalitionsvertrag paraphiert, morgen entscheiden Sonderparteitage von SPD und Bündnisgrünen endgültig über die künftige Koalition. Bereits für den kommenden Donnerstag ist der Landtag zu seiner konstituierenden Sitzung einberufen worden. In dieser zweitägigen Sitzung will sich Reinhard Höppner, so erklärte er gestern, bereits zum neuen Ministerpräsidenten wählen lassen. Dies ist auch möglich, denn weder in der Verfassung noch in der Geschäftsordnung des Landtages steht, daß zwischen den einzelnen Wahlgängen eine gewisse Frist verstreichen muß. „Vermutlich werden wir vor dem dritten Wahlgang noch eine Nacht schlafen“, sagt ein Sozi. Denn wenn in den ersten beiden Wahlgängen kein Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten die absolute Mehrheit der Stimmen bekommt, muß der Landtag zunächst über die eigene Auflösung und die vorzeitige Ausschreibung von Neuwahlen abstimmen. Erst wenn dies abgelehnt wurde, reicht Höppner im dritten Wahlgang die einfache Mehrheit, um Regierungschef zu werden. Dann bräuchte er nicht einmal die Stimmen der ungeliebten PDS.
Bis dahin wird der künftige Regierungschef weiterhin fieberhaft Gespräche führen. Denn ihm fehlt bislang nicht nur ein neuer Wirtschaftsminister. Gemeinsam mit den Bündnisgrünen sucht er auch noch nach möglichen Ressortchefs für das Landwirtschafts- und für das Bauministerium. Und die Suche kann noch dauern. „Spätestens bei der Vereidigung im Landtag werden Sie alle kennenlernen“, sagte er gestern. Eberhard Löblich
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