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„Schwarze Schafe“ in der Polizei

Wenn Polizisten sich einer Straftat im Amt schuldig machen, ermittelt das Kripo-Kommissariat für Amtsdelikte / 1992: 591 Strafverfahren gegen Polizisten wegen Körperverletzung  ■ Von Plutonia Plarre

Wie eine Löwin ihre Jungen verteidigte Polizeipräsident Hagen Saberschinsky im vergangenen Sommer seine Mannen gegen den Vorwurf, die Polizei mißhandele Ausländer. Dies sei ein pauschales Vorurteil, schimpfte er damals. In den Reihen der Polizei gebe es allenfalls ein paar „schwarze Schafe“, gegen die aber „konsequent und mit gebotener Härte" vorgegangen werde.

Mit gebotener Härte gegen einen Täter vorgehen kann man jedoch nur, wenn man ihn ermittelt hat. Und das ist bei Schlägern in Uniform nicht einfach. In allen Fällen, in denen Polizeibeamte und andere Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes einer Straftat im Amt beschuldigt werden, ist das Kripo-Kommissariat für Amtsdelikte zuständig. Ausgenommen Korruption und Bestechlichkeit, bearbeitet die aus 14 Sachbearbeitern und dem Kommissariatsleiter Horst Klemmer bestehende Truppe sämtliche Delikte quer durchs Strafgesetzbuch. 77 bis 80 Prozent aller Verfahren im Jahr richten sich gegen Polizeibeamte, in 50 bis 55 Prozent aller Fälle geht es dabei um den Vorwurf der Körperverletzung im Amt, so Klemmers Schätzung.

Was am Ende herauskommt, verdeutlichten die Zahlen, mit denen Polizeipräsident Saberschinsky im vergangenen Sommer aufwartete: 1992 gab es in Berlin insgesamt 591 Strafverfahren gegen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt. Davon wurden 572 von der Staatsanwaltschaft eingestellt, in 19 Fällen erkannten die Gerichte auf Freispruch.

Kritiker werfen den Beamten des Kommissariats für Amtsdelikte vor, sie seien nicht objektiv, weil sie gegen die eigenen Kollegen ermittelten. Warum sonst, so die Frage, blieben all die vielen Einsätze gegen wehrlos am Boden liegende Demonstranten ungesühnt, warum werden immer wieder Ausländer ungestraft von Polizisten mißhandelt? Sogar die Wochenzeitung Zeit bezichtigte die Berliner Kripodienststelle für Amtsdelikte kürzlich „schleppender Ermittlungen“ bezüglich der Polizeiübergriffe gegen vietnamesische Zigarettenhändler (siehe Seite 17).

Den Vorwurf der Befangenheit wiesen Kommissariatsleiter Horst Klemmer und dessen Chef Jörg Manske in einem Gespräch mit der taz strikt von sich. „Wir wissen, daß es in der Behörde schwarze Schafe gibt, derer muß man habhaft werden.“ Daß die Aufklärungsquote bei bestimmten Vorfällen so schlecht sei, habe andere Gründe. Das „offenkundige Problem“, so Manske, „sind die geschlossenen Einheiten und der Korpsgeist, oder das Wir-Gefühl, das die Gruppe zusammenhält“. Immer, wenn Menschen in festen Gruppen agierten, „decken und schützen sich sich gegenseitig“. Dies sei auch bei der Gegenseite ein ganz normales Verhalten.

Doch die mangelnde Aussagebereitschaft der Beamten sei bei den Ermittlungen nicht das einzige Problem. In acht von zehn Fällen werde die Aufklärung dadurch erschwert, daß sich der Geschädigte nicht von der Kripo vernehmen lasse, sondern erst von der Staatsanwaltschaft. Bei der Polizei muß ein Zeuge nicht erscheinen. Das führe dazu, daß die Ermittlungsakten „mit einem sehr mageren Sachstand“ zur Staatsanwaltschaft gehen, die das Verfahren dann oftmals einstellt. Wegen all dieser Schwierigkeiten bemühe sich das Kommissariat deshalb besonders darum, neutrale Zeugen ausfindig zu machen. „Wenn wir welche haben, kommt es meist zur Anklage“, so Klemmer. In den überwiegenden Fällen sei dies jedoch nicht so, und die Staatsanwaltschaft stelle die Verfahren mit dem typischen Satz ein: „Es ist nicht feststellbar, ob der Geschädigte oder der Beschuldigte glaubwürdiger ist.“

Doch selbst neutrale Zeugen sind keine Garantie dafür, daß der Beschuldigte am Ende auch wirklich verurteilt wird. Denn wo eine Körperverletzung im Amt anfängt und eine „manchmal unverzichtbare Gewaltanwendung bei einer Festnahme“ aufhört, so Klemmer, sei für neutrale Zeugen oftmals nicht erkennbar. Ein eindeutiger Fall von Körperverletzung im Amt sei es erst dann, wenn ein wehrlos Gefesselter mit Schlägen und Tritten traktiert werde.

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