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Haiti-Invasion in der Sommerpause?

Spekulationen über den möglichen Termin einer US-Militäraktion / Rechte Kritiker finden sich plötzlich im Lager Aristides wieder / Die Karibik als „Schutzzone“ für Flüchtlinge  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Die diversen Invasionspläne sind fertig, der Einsatzkommandant ist benannt, vierzehn US- Kriegsschiffe warten vor der Küste auf den Einsatzbefehl, die journalistische Vorhut ist bereits vor Ort: Peter Arnett, CNN-Reporter, der einst in Bagdad den Beginn von „Operation Desert Storm“ meldete, hat mit zahlreichen anderen US-Kollegen in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince Quartier bezogen. Alles scheint in den Augen der US- Medien darauf hinzudeuten, daß eine Invasion Haitis durch US- Truppen bevorsteht.

Lediglich über das Datum wird spekuliert: Innerhalb der ersten beiden Augustwochen, vermuten die einen; nach dem 12. August, glauben die anderen. Dann herrscht Sommerpause im Kongreß und Präsident Bill Clinton könnte den Befehl zur Intervention geben, ohne sofort die parlamentarische Opposition im Nacken zu haben.

Doch die Countdown-Stimmung in der Presse täuscht nicht darüber hinweg, daß sich Gegner einer Intervention in allen Fraktionen finden. Politisch einflußreiche demokratische Senatoren wie der Vorsitzende des Streitkräfteausschusses, Sam Nunn, warnten den Präsidenten, „sorgfältig zu überlegen“, bevor er US-Truppen nach Haiti schicke, was nicht zum vitalen Einflußgebiet der USA gehöre. Selbst der „Black Caucus“, jene Gruppe schwarzer Kongreßabgeordneter, die in den letzten Monaten durch massiven Druck einen Kurswechsel der passiven Clintonschen Haiti-Politik mit herbeigeführt hatte, ist über die Frage einer Militärintervention zerstritten. Am lautesten machen sich die Republikaner im Senat unter dem Fraktionsführer Robert Dole bemerkbar, deren Opposition nicht zuletzt auf einer ausgeprägten Antipathie gegen Haitis Präsidenten im Exil, Jean-Bertrande Aristide, beruht.

Sie finden sich derzeit — höchst unfreiwillig — in Übereinstimmung mit jenem Mann, dem sie so sehr mißtrauen und der noch vor kurzem in Berichten des CIA als psychisch labil und antiamerikanisch dargestellt wurde: Mehrmals in den letzten Monaten beteuerte Aristide, er wolle „nie, nie, nie“ mit Hilfe einer US-Invasion in sein Amt zurückkehren. Wie ernst es Aristide mit diesem Schwur im Fall einer Intervention ist, bleibt abzuwarten.

Über die letzte Woche neu eingerichtete Radiostation Aristides, „Radio Democracy“, rief dieser seine Landsleute zur „Versöhnung, Gerechtigkeit und Demokratie“ auf. In seiner Rede, die von Clinton-Mitarbeitern „gegengelesen“ wurde, versprach er, nach seiner Rückkehr keine Racheaktionen gegen Militärangehörige zu dulden. Den Unternehmern in Haiti versicherte er, ihr Recht auf Profit zu respektieren. Solche Töne der „politischen Mäßigung“ zur Vorbereitung seiner Rückkehr hatte die US-Regierung immer wieder von Aristide verlangt.

Doch nach wie vor weigert sich Bill Clinton, den Machthabern in Port-au-Prince um Generalleutnant Raoul Cédras ein konkretes Ultimatum für ihren Rücktritt zu stellen — in der Hoffnung, das Wirtschaftsembargo werde die Militärs in absehbarer Zeit in die Knie zwingen. Die geben sich bislang unbeeindruckt: Weiterhin steigt die Zahl der Opfer politischer Morde. Letzte Woche ließen die Militärs zudem die Menschenrechtsbeobachter der UNO aus dem Land weisen.

Clintons Weigerung, ein Ultimatum zu stellen, veranlaßt wiederum viele Exilhaitianer und Mitarbeiter des Stabes um Aristide, an der Ernsthaftigkeit der Clintonschen Rhetorik zu zweifeln. Auf die Frage, ob er an eine Militärintervention glaube, antwortete Ex- Kongreßmitglied und Aristide-Berater Michael Barnes kurz und unwirsch: „Nein, absolut nicht.“ Sein Kollege Burt Wides erklärte der Zeitschrift Time, er halte das Säbelrasseln der US-Regierung für Schall und Rauch, hinter dem den Putschisten ein eleganter Abgang und die Machtübergabe an eine „Mitte-Rechts-Koalition“ vorbereitet würde.

Vorerst glaubt das Weiße Haus, eine endgültige Entscheidung hinausschieben zu können, nachdem in den letzten Tagen die Zahl der haitianischen Bootsflüchtlinge deutlich zurückgegangen ist. Doch dies ändert nichts daran, daß die USA seit der Einrichtung von „Schutzzonen“ für haitianische Flüchtlinge auf mehreren Karibikinseln und ihrem Marinestützpunkt auf Kuba Anfang Juli über 20.000 Flüchtlinge aufgenommen haben. Den Zutritt in die USA will man ihnen nach Möglichkeit verwehren, zumal die Stimmung gegen Asylsuchende und Immigranten in den USA zu einem bestimmenden Thema der Kongreßwahlen im November werden dürfte. Doch wenn sich in den nächsten Wochen in Haiti keine grundlegende Änderung der Machtverhältnisse abzeichnet, dann dürfte die Karibik als „Schutzzone“ bald nicht mehr ausreichen.

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