: Bettler für das Biotop
■ Gerold Janssen sammelt 200 Mark Bußgeld für Anti-Siemens-Malerei auf der Straße
„Wow, this guy knows how to make money!“ Diese anerkennenden Worte des professionellen amerikanischen Straßenmusikers galten gestern morgen unter den Bremer Rathausarkaden einem ganz besonderen Bettler. Gerold Janssen, Kämpfer für den Erhalt des Hollerlandes, Deichgraf und Bundesverdienstkreuzträger, hatte sich auf einem Strohsack niedergelassen, um das Bußgeld bei der Bremer Bevölkerung wieder einzusammeln, zu dem er gerade „im Namen des Volkes“ vom Amtsgericht verurteilt worden war. 200 Mark muß Janssen für die Bemalung des Fußweges vor dem Siemens-Hochhaus zahlen. Im Oktober vergangenen Jahres hatten 25 Mitglieder einer Bürgerinitiative dort mit Motiven aus der Tierwelt des Biotops „Uni-Ost“ gegen dessen Bebauung durch den Münchener Konzern geworben, Janssen hatte sich gegenüber der Polizei als „Verantwortlicher“ der Aktion bezeichnet.
„Ich neige zum zivilen Ungehorsam“, bekannte der 70jährige Umweltschützer gestern freimütig vor Gericht, da sei „vieles einkalkuliert, auch dieser Prozeß“. Mit weniger spektakulären Formen der politischen Einflußnahme sei in Sachen Uni-Ost nichts mehr auszurichten, denn „das Platzhirschverhalten der Senatoren Fücks und Jäger läßt doch keine offene Diskussion mehr zu“.
Auf eine offene Diskussion über Janssens Motive wollten sich gestern auch Amtsrichter Friedrich Wulf und Staatsanwalt Hans-Georg von Bock und Polach nicht einlassen. Von Bock reduzierte lediglich das vom Staat verlangte Bußgeld von 500 auf 250 Mark, und Richter Wulf drückte den Preis für die friedliche Pflastermalerei noch einmal um 50 Mark. Teuer könnte das Urteil für Janssen dennoch werden: „4.600 Mark hat die Reinigung des Gehwegs gekostet“, sagte Wulf, „das kommt jetzt auf Sie zu.“ Zum Abschied hatte der Richter deshalb noch einen Tip für den Umweltschützer: „Lassen Sie sich nächstes Mal was Bessers einfallen, malen Sie zum Beispiel statt mit giftiger Acryl- lieber mit Kalkfarbe. Dann sparen Sie auch die Reinigungskosten.“
„Ich sitze hier zum Wohle Bremens“, rief Janssen wenig später über den Marktplatz und hatte schnell eine kleine Menschenmenge um sich versammelt. Nachdem er zwei Stunden lang dutzende Diskussionen über Umweltschutz, Arbeitsplätze und Wirtschaftspolitik geführt, ab und zu ein Liedchen angestimmt oder auf der Mundharmonika gespielt hatte, hatten sich gut 80 Mark in Janssens schwarzem Hut angesammelt. Ein Ergebnis, über das sich der Protestmaler gleich doppelt freute: Einerseits war es für den Anfang viel, andererseits noch nicht genug. Heute wird Janssen also schon wieder unter seinem Transparent „Bußgeldopfer von Siemens und Senat“ in der Innenstadt um eine Spende bitten und für zivilen Ungehorsam werben. Ase
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