Gereiztes Husten gegen Bonn

■ In ganz Deutschland steigen die Ozonwerte, nur in Hessen nicht. Jetzt denkt sogar Bayerns Edmond Stoiber an bundesweite Fahrverbote und Tempobeschränkungen

Berlin (taz) – In Wiesbaden gelten ab sofort einfache Bus-Fahrkarten auch für die Rückfahrt: Der hessische Ozonalarm gerät allmählich zum Volksvergnügen. Die Polizei berichtet, daß sich die Autofahrer „vorbildlich“ an die Tempobeschränkungen halten. Im Haus der Landesregierung traf sich das rot-grüne Kabinett zur Ozon-Sondersitzung. Die Minister paßten das bisher angewandte, deutsche Meßverfahren an den europäischen Standard an und senkten die Alarmmarke von 240 auf 215 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Auch dieser Wert wurde gestern immer seltener in der erforderlichen Alarm-Konstanz gemessen – die Verkehrsbeschränkungen könnten heute aufgehoben werden.

In anderen Bundesländern steigen die Ozonkonzentrationen immer noch an. Hessens Alleingang bringt auch die Bundesregierung in Verlegenheit. Umwelt-Staatssekretär Clemens Stroetmann erläuterte in Bonn noch einmal die Pläne seines Ministeriums, das kommunale Verkehrsbeschränkungen verordnen will, wenn bestimmte Konzentrationen von Ruß, Stickoxiden und Benzol überschritten werden. Dieser Gesetzentwurf stehe jedoch „nicht in direktem Zusammenhang mit der Ozonbekämpfung“, gab Stroetmann zu. Ergänzend hat das Ministerium eine Broschüre veröffentlicht, in der Entstehung und Wirkung des Reizgases erläutert werden. Bildungslücken sind jedoch kaum noch zu schließen. Eine rot- grün-schwarze Länderkoalition gegen Bonn zeichnet sich ab. Sogar Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sagte in einer Fernsehsendung, daß er sich bei Ozonalarm Verkehrsbeschränkungen vorstellen kann. Nur sollten sie bundesweit angeordnet werden. Eben das verlangt auch das hessische Umeltministerium des grünen Joschka Fischer, und Baden Württembergs Umweltminister Harald Schäfer fordert eine Ausnahmeverordnung des Bundes. Er selbst hatte mit seinem Ozonversuch von Heilbronn bewiesen, daß selbst Fahrverbote von der Bevölkerung akzeptiert werden. „Wenn er nur wollte“, sagte Schäfer, könnte der Bonner Verkehrsminister flächendeckend Verkehrbeschränkungen anordnen. Der Kölner Regierungspräsident Antwerpes empfiehlt schon mal das Athener Modell, wonach in Sommersmog-Zeiten abwewchselnd nur Autos mit geraden oder ungeraden Kennzeichen fahren dürfen. Bloß mag sich Nordrhein- Westfalens Umweltminster Klaus Matthiesen damit nicht befreunden. Er erinnerte gestern lieber an die alte SPD-Forderung eines Tempolimits auf Autobahnen – Fahrverbote seien nicht zu rechtfertigen. Niklaus Hablützel