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Krieg gegen die Städte

Bogdan Bogdanović, früher Architekturprofessor und Bürgermeister in Belgrad, hat den kältesten Blick auf die Metzeleien im ehemaligen Jugoslawien. Für ihn ist es ein Krieg gegen die Städte. Er scheint sich nicht für die Menschen der einen, der anderen oder gar beider Seiten zu interessieren. Ihm geht es um die Mauern, die Gebäude, die Architektur. Ein Fachidiot. Nein, so ist es nicht. Bogdan Bogdanović fürchtet, daß es denen, die Dubrovnik und Sarajevo zerstören wollen, um mehr als den Tod bestimmter Menschen geht. Sie zerbomben die Städte, weil ihnen die Art, wie Menschen in diesen Städten zu leben gelernt haben, ein Dorn im Auge ist. Das bißchen Urbanität, die kleine Weise von leben und leben lassen – sie ertragen sie nicht. Der Stadt muß der Garaus gemacht werden. In ihr leben die verschiedensten Nationalitäten und Glaubensbekenntnisse auf engstem Raum zusammen. Den Reinheitsfanatikern, den Liebhabern der tödlichen Trennungen ist schon das zuviel. Bogdan Bogdanović wird nicht müde, darauf hinzuweisen, daß mit den

Mauern das Zusammenleben zerstört wird. Er schärft den Sinn fürs Paradoxe nicht nur dieser Aussage. Ein Dialektiker, der sich in Widersprüchen bewegt. Nicht weil er sie nicht bemerkt, sondern weil er weiß, daß er nicht anders kann. Die in „Architektur der Erinnerung“ gesammelten Aufsätze stammen aus den letzten zwanzig Jahren. 1972 schrieb er über Augustin: „Es war das eine Zeit der Angst und des tiefen geistigen Leidens des urbanen Menschen, der sich auf einmal völlig entwurzelt fühlte.“ Kaum anders waren wenige Jahre später die Empfindungen des 1922 geborenen Belgraders, als er zusehen mußte, wie „seine“ Städte, die die Naziarmee überstanden hatten, nun von den eigenen Leuten dem Erdboden gleichgemacht wurden. Arno Widmann

Bogdan Bogdanović: „Architektur der Erinnerung“. Aus dem Serbischen von Klaus Detlef Olof. Wieser Verlag, Broschur, 139 Seiten, Schwarzweißabbildungen, 29 DM.

Die Abbildungen sind dem Band entnommen.

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