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Was wird aus Ruandas Mördern?

■ UNO beginnt mit Untersuchungen im Hinblick auf ein Tribunal / Ruandas Regierung will eigene Prozesse führen

Berlin/Kigali (taz/wps) – Je mehr sich UNO und Hilfsorganisationen um die Rückkehr der nach Zaire geflohenen Ruander in ihre Heimat bemühen, desto drängender stellt sich die Frage, wie es zu einer Versöhnung in einem Land kommen kann, in dem die Milizen der früheren Regierung binnen weniger Wochen 500.000 Menschen getötet haben. Die Opfer der Milizen herrschen heute in Ruanda, während die Täter sich zumeist unter den Flüchtlingen in Zaire befinden. Alle Beobachter sind sich daher einig, daß eine Flüchtlingsrückführung mit einer konsequenten Verfolgung der Mörder einhergehen muß.

Die UNO, deren Menschenrechtskommission bereits im Juni ein internationales Kriegsverbrechertribunal empfahl, hat jetzt einen ersten Schritt unternommen: Eine Kommission von drei Juristen aus Togo, Guinea und Mali ist beauftragt, Untersuchungen vorzunehmen und bis spätestens November dem UNO-Generalsekretär Butros Ghali Bericht zu erstatten. Leiter der Kommission ist der einstige Präsident des Obersten Gerichts von Togo, Atsu-Koffi Amega. Der bereits im Juni ernannte Sonderbeauftragte der UN-Menschenrechtskommission, René Degni-Segui, legte am Dienstag einen Bericht vor, in dem er der UNO wichtige Hinweise für das weitere Vorgehen gibt: Im Ruanda des ermordeten Präsidenten Juvenal Habyarimana seien Gewalttäter, die an ethnischen Konflikten beteiligt waren, grundsätzlich straffrei ausgegangen. Es habe keine unabhängige Justiz, sondern eine Tradition der Rechtsunsicherheit gegeben. Nötig ist, so muß man folgern, die Schaffung einer unabhängigen Justiz, die ihre Urteile nicht nach ethnischen Gesichtspunkten fällt.

Degni-Seguis Vorwürfe sind nicht neu; sie wurden von Menschenrechtsorganisationen seit Ausbruch des ruandischen Bürgerkrieges im Oktober 1990 mehrmals wiederholt, ohne daß dies Konsequenzen wie die Beendigung der europäischen Entwicklungshilfe zur Folge gehabt hätte. Auch diesmal herrscht daher Skepsis über die Möglichkeiten der UNO, rasche Aufklärung und Strafverfolgung zu leisten. So war die Installierung eines Tribunals für Ruandas Kriegsverbrecher ursprünglich für September vorgesehen. Kirchliche Organisationen und Menschenrechtsgruppen, die mit Kriegsflüchtlingen arbeiten, sammeln derweil eifrig Aussagen von Überlebenden in der Hoffnung, sie eines Tages einem Gericht vorlegen zu können.

Ruandas neue Regierung, die die siegreiche Rebellenbewegung RPF (Ruandische Patriotische Front) gebildet hat, hat sich gegen eine Amnestie für Kriegsverbrecher ausgesprochen und plant nun, die juristische Verfolgung der Massenmörder auf eigene Faust aufzunehmen, ohne auf die UNO zu warten. „Wir wollen ein transparentes System, aber wir wollen nicht so lange warten wie in Jugoslawien“, sagte Staatschef Pasteur Bizimungu einer US-Zeitung. Die UNO und andere internationale Organisationen oder Regierungen könnten als Beobachter an Kriegsverbrecherprozessen teilnehmen. Wenn die Regierung nicht rasch handele, so Bizimungu, „werden die Opfer dazu neigen, sich selbst ihr Recht zu verschaffen“. Mit anderen Worten: Die RPF fürchtet Übergriffe gegen einstige Milizionäre und Exsoldaten, wie sie vereinzelt bereits stattgefunden haben sollen. Premierminister Faustin Twagiramungu sagte, mehrere Minister der alten Regierung müßten damit rechnen, vor Gericht gestellt zu werden. Nach ruandischem Recht stünde auf Völkermord Hinrichtung durch Erschießung.

Die harten Worte sollen offenbar die Autorität der neuen Regierung stärken, nachdem Soldaten aus den USA und Großbritannien ja bereits immer mehr in Ruanda aktiv sind. In diesem Zusammenhang warnte Bizimungu die Franzosen, ihren Abzug aus der selbstproklamierten „Schutzzone“ im Südwesten Ruandas nicht über das von der UNO gesetzte Datum des 22. August hinaus zu verzögern. Eine französische Präsenz nach diesem Termin wäre eine Verletzung der ruandischen Souveränität. „Wenn das Krieg heißt, werden wir in den Krieg ziehen“, sagte der Staatschef. D. J.

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