Sanssouci: Vorschlag
■ Vom Röhren und Sehen: Inga Rumpf im Franz-Club
„Rock in Deutschland“, der Republik erstes spezielles Rock- Lexikon erkor Inga Rumpf 1979 zu „Deutschlands wahrer Rock- Frau“. Die gute Inga hatte, was der damals überaus treffend so genannte deutsche Krautrock auf seinem Annäherungszug an die anglo-amerikanischen Originale dringlichst brauchte: die vielbeschworene „Rockröhre“, den Geschmack nach Bourbon und Gauloises, die Scharten in den Stimmbändern. Es war eine Zeit, als Frauen wie Rumpf, Joy Fleming, Jutta Weinhold und Ulla Meineke „Rock-Ladies“ oder gar „-Miezen“ geheißen wurden und kein Instrument selbst anfassen durften, und wo es immer noch als Skandal galt, wenn das übermächtige Vorbild Janis Joplin dieselben Groupie-Gepflogenheiten und Saufgewohnheiten an den Tag legte wie die männlichen Kollegen.
Aber so wie all jene deutschen Kapellen, ob sie nun Birth Control, Randy Pie, Lake oder Torfrock hießen, nicht ein einziges Mal den wahren Dreh zum perfekten Kopistentum fanden (den Titel können schlußendlich dann immerhin die Scorpions für sich reklamieren!) hielten sich auch sex & drugs in vertretbaren Grenzen. Statt dessen verlief die Karriere der Rumpf in den Siebzigern geradezu bilderbuchmäßig. In der Abfolge der Bands, für die sie die Zunge schwang, wurden die Hallen von den City Preachers über Frumpy bis zu Atlantis immer größer. Mitte der Siebziger war sie unangefochten „Gesangssolist des Jahres“ (Sounds-Pop-Poll 1975) oder zumindest „Beste deutsche Sängerin“ (Popfoto-Poll 1976). Seitdem sich Atlantis, bei denen übrigens z.B. der Lindenberg-Keyboarder Jean-Jacques Kravetz und die berühmteste lebende Studio-Drum-Maschine Curt Cress zugange waren, im Jahr 1976 auflösten, ist Inga Rumpf solo unterwegs, ohne je ihr krautiges Image abgelegt zu haben. Dazu eignet sich wahrscheinlich auch ihr krautig-kratzendes Organ wenig. Aber unbelastet vom Massenerfolg kann sich Inga Rumpf dafür in einem Spektrum zwischen Gershwin und Rock tummeln, was sich dann insgesamt nach mittlerweile 20 Jahren alles komplett im Blues sedimentieren läßt.
Und immerhin hat der Großteil der gealterten deutschen „Ladies“, allen voran Rumpf, seitdem ein so erfolgreiches Dauercomback zu laufen, daß es für die Leberwurst auf der Stulle ausreicht, während die authentische Janis Joplin sich das Wachsen der Gerste schon seit einiger Zeit aus der Nähe betrachten muß. Thomas Winkler
Am 7.8. um 22 Uhr im Franz-Club, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen