: BVG-Tarifmodell kommt ins Stocken
■ Im Brandenburger Umland stoßen die neuen Preise der BVG auf wenig Gegenliebe / Im Osten sollen Einzelfahrscheine nur leicht - auf 3,50 Mark - erhöht und die Seniorenkarte nicht abgeschafft werden
Das neue Tarifmodell der BVG stößt bei den Verkehrsbetrieben im Brandenburger Umland auf Widerstand. Die Havelbus-Verkehrsgesellschaft (HVG) in Potsdam lehnt den für kommendes Jahr vorgesehenen Wegfall der Seniorenkarte und die Angleichung der Ostberliner Einzelfahrscheine an den Westtarif in der jetzigen Form ab. Der Geschäftsführer der HVG, Jürgen Prinzenhausen, verwies gestern gegenüber der taz auf das nach wie vor bestehende soziale Gefälle bei den Einkommen und Renten zwischen Ost- und WestberlinerInnen.
Die geplante Anhebung der Ost-Einzelfahrscheine von derzeit 3,10 Mark auf dann 3,70 Mark ab dem 1. Januar 1995 sei daher „sehr problematisch“. Stattdessen schlägt der HVG-Geschäftsführer eine „mäßige“ und zeitlich gestaffelte Preissteigerung vor. „Wir brauchen weiterhin eine Differenzierung“, meinte Prinzenhausen. Ein möglicher Richtwert für den Einzelfahrschein könne bei 3,50 Mark liegen.
Als „begrüßenswert“ bezeichnete er dagegen den in den letzten Tagen von der Berliner Senatsverwaltung für Soziales gemachten Vorschlag, die Seniorenkarte für alle Bezieher von Niedrig-Renten zu erhalten. Zu dieser Gruppe werden rund 15 Prozent der Senioren in der Hauptstadt gezählt, die mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von bis zu 1568 Mark auskommen müssen.
BVG-Chef Rüdiger vorm Walde hat unterdessen seine Bereitschaft erklärt, das Thema der Seniorenkarte für sozial schwache Rentner aufzugreifen. Dafür ist allerdings ein erneuter Beschluß des BVG-Aufsichtsrates notwendig. Völlig offen ist darüber hinaus, wer die zusätzlichen Kosten tragen soll. Die Sozialverwaltung lehnt eine Bezuschußung mangels Geldes ab. Nach ihren Vorstellungen soll die BVG die Gelder aus eigenen Töpfen finanzieren. Die BVG wiederum appelliert an den Senat, die dafür veranschlagte jährliche Summe von 2 Millionen Mark locker zu machen. Unterdessen hat die Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen angekündigt, einen eigenen Antrag in das Abgeordnetenhaus einzubringen, mit dem die ursprüngliche Summe von jährlich 14 Millionen Mark für die Seniorenkarte wieder der BVG zur Verfügung gestellt werden soll.
Das Thema Tarife wird im kommenden Monat im Arbeitskreis des Tarif-Verbundes, dem neben der BVG und der Deutschen Bahn AG (S-Bahn) auch acht Verkehrsunternehmen aus dem Umland angehören, auf der Tagesordnung stehen. Der BVG-Tarifexperte Andris Mamis bezeichnete gestern die Kritik des HVG-Geschäftsführers als „unverständlich“. Die Mehreinnahmen, die bei der BVG durch die Angleichung des Ost- an den Westtarif bei den Einzelfahrscheinen erzielt werden, kämen über den Tarif-Verbund letzlich auch der HVG zugute. Mamis verwies darauf, daß der überwiegende Teil der Bürger Sammel- oder Umweltkarten kauften, die nach dem neuen Tarifmodell im Osten weiterhin billiger als im Westteil der Stadt seien. Überrascht zeigte sich Mamis, daß sich nun auch die Brandenburger Seite in die Diskussion um die Abschaffung der Seniorenkarte einschalte. „Ich verstehe den dortigen Unmut nicht, denn die Karte ist eine reine Berliner Angelegenheit, auf die Brandenburger Rentner gar keinen Anspruch haben.“ Severin Weiland
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