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In den Hütten schwindet die Euphorie

■ Die Bewohner von Townships wie Orange Farm warten noch auf Veränderungen

„Nkanyezis Distributors“ macht nicht viel her: schlichte Fenster in ungestrichenen Metallrahmen, eine Blechtür, graue unverputzte Wände. Aber der kleine Laden für Süßigkeiten, Zigaretten, Bier und Kartoffelchips ist im Gegensatz zu den Wellblechhütten der Nachbarschaft aus Beton gebaut. Doch geheizt wird auch hier nicht, und Eigentümer Nhlanhla Thabeda (45) tippt mit von der Kälte des südafrikanischen Winters klammen Fingern die Preise auf der kleinen Rechenmaschine ein.

Politik scheint in diesem Teil des Townships Orange Farm, 30 Kilometer südlich der südafrikanischen Wirtschaftsmetropole Johannesburg, kein großes Thema zu sein: keine Wahlplakate, keine Parolen auf den Wellblechhütten. Thabedas Kunden hören allenfalls zu, wenn er über die nationale Lage doziert, so wie Krämer in aller Welt es lieben. „Mandela macht zu viele Konzessionen an die Nats“, an die Nationale Partei, sagt er mit Nachdruck.

Damit hat es sich aber auch schon mit Kritik an der drei Monate alten Regierung von Nelson Mandela. Den Grund liefert Moussa Ntanzi (36), einst Soldat im Homeland Bophuthatswana und heute Mitarbeiter einer Hilfsorganisation in Orange Farm: „Die Regierung ist noch ein Baby. Sie ist noch zu jung. Wir können ihre Arbeit noch nicht beurteilen.“

Schmunzelnd unterhält Ntanzi sich mit dem Kaufmann, einem hochgewachsenen Mann mit leicht angegrauten dichten Locken, über die Frau aus der Nachbarschaft, die Mandelas Wahlversprechen von Jobs zu wörtlich genommen hatte. Ihre gesamten Ersparnisse, 15 Rand (rund 7 Mark), hatte sie am Tag nach der Wahl zusammengerafft, um sich nach Johannesburg aufzumachen. Einen Tag später war sie niedergeschlagen und so hoffnungslos wie vor den Wahlen wieder zurück in ihrer Hütte. Mandela habe Arbeit versprochen, aber in Johannesburg sei alles so gewesen wie vorher.

Orange Farm, von der abgelösten weißen Regierung einst für 1,5 Millionen Menschen geplant, unterscheidet sich in einem Punkt von tausenden ähnlichen Siedlungen am Kap der guten Hoffnung. Es war das erste Township, in dem die Bewohner Eigentumsrechte für die Grundstücke erwerben konnten, auf denen sie sich niederließen. Rotbrauner Staub überzieht jetzt die Hütten, ungepflasterte Straßen ziehen sich zwischen ausgedörrtem Gras und trockenen Büschen durch die Siedlung. Kahlen Bäumen gleich recken sich Strommasten empor, alle mit dem typischen Kasten versehen, in den die Bewohner ihre Stromkarten schieben. Ist die Kaufsumme für die Steckkarten verbraucht, versiegt auch die Elektrizität.

„Siedlungen wie Orange Farm sind für Südafrikas neue Regierung am gefährlichsten,“ sagt Stefan Lauber aus dem schweizerischen Zermatt, der mit Geldern der Züricher Stiftung „Leben für alle“ in Orange Farm arbeitet, „die Lebensbedingungen gehören zu den miserabelsten, die Erwartungen waren am höchsten, und die Enttäuschung wird hier am stärksten sein.“ Selbst ANC-Mitglieder wie die 36jährige Mavis Lufhugu klagen: „Viele an der Regierungsspitze und im Parlament haben schon vergessen, wie es bei uns vor Ort aussieht.“

Von etwa 30.000 Kindern im schulpflichtigen Alter finden nur 20.000 Platz in den Schulen. Die offene Arbeitslosigkeit beträgt 50 Prozent, 20 bis 30 Prozent der 25.000 Familienväter halten sich mit „Piece Jobs“ – als Tagelöhner – über Wasser. Und 90 Prozent der jungen Leute, die die Schule verlassen, finden keine Arbeit. Für die glücklichen Einwohner von Orange Farm, die Arbeit haben, bleibt nicht viel von ihrem Gehalt. Moussa Ntanzis Ehefrau etwa verdient 400 Mark im Monat – 200 gehen für die alltägliche Busreise zur Arbeit im Johannesburger Norden drauf – eine Fahrt, die morgens wie abends eineinhalb Stunden dauert.

Verhältnisse, in denen Versprechungen wie 2,5 Millionen Arbeitsplätze und eine Million Wohnungen über die kommenden zehn Jahre verheißungsvoll klingen, zumal die Banken jeden Kredit an Bewohner von Orange Farm immer noch verweigern. Als Joe Slovo, der frischgebackene Wohnungsbauminister, in einem Anflug von Aktivismus dann auch noch verkünden ließ, Südafrikaner wie die Einwohner von Orange Farm könnten mit staatlichen Zuwendungen von 6.000 Mark für Häuserbau rechnen, schlugen die Wogen der Freude in Orange Farm hoch – bis klar wurde, daß die Hälfte für den Ankauf der Grundstücke gedacht ist. Mit dem Rest aber, das wissen Orange Farms Bewohner ganz genau, ist kein Haus zu bauen.

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