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Endstation Moabit für Abschiebehäftlinge

■ Schlechtere Haftbedingungen für Abschiebehäftlinge nach Hungerstreik / Sie fordern Rückverlegung in die Kruppstraße

Neun Abschiebehäftlinge, die nach dem Hungerstreik im Abschiebegewahrsam Kruppstraße Ende Juli in das Untersuchungsgefängnis Moabit verlegt worden sind, sollen dort bis zu ihrer Abschiebung bleiben. Das bestätigte der Sprecher der Senatsverwaltung für Inneres, Hans Richter, gegenüber der taz. Dabei fordern sie alle ihre Rückverlegung in die Kruppstraße, wie Andrea Hamaiel von der Initiative gegen Abschiebehaft erfuhr.

„Die Haftbedingungen in Moabit sind für die Abschiebehäftlinge eine Verschlechterung“, sagt Hamaiel, die einige dort besucht hat. Vor allem ihre Kontaktmöglichkeiten seien stark eingeschränkt. Während sie in der Kruppstraße unbegrenzt telefonieren und täglich Besuch bekommen konnten, können sie jetzt nur noch zweimal im Monat Besuch empfangen. Telefonieren können sie, wie der Anstaltsleiter Wolfgang Fixson bestätigte, nur, wenn der Sozialarbeiter Zeit hat.

„Am meisten leiden sie unter der Einzelhaft. Es geht allen sehr schlecht, sie haben richtiggehend Depressionen“, sagt Angela Hamaiel, die einige für selbstmordgefährdet hält. Die Ausländerbeauftragte Barbara John hatte drei Häftlinge, die in der Kruppstraße auf einen Baum geklettert waren und damit gedroht hatten, sich zu erhängen, eine Einzelfallprüfung und Straffreiheit zugesagt. Wie Pressesprecher Richter erläuterte, sei mit Einzelfallprüfung nur gemeint, daß ihnen verstärkt geholfen werde, die fehlenden Pässe zu beschaffen, die bislang einer Abschiebung im Wege stehen. Darum kümmere sich eine Mitarbeiterin der Ausländerbeauftragten.

Die Abschiebehäftlinge, so berichtete Angela Hamaiel, empfänden die Verlegung als Bestrafung. Die Anstaltsleitung bestätigte, daß die anfänglichen Sicherheitsauflagen am Mittwoch vergangener Woche aufgehoben wurden. Die neun Männer können nun neben der täglichen Freistunde auch sechs Stunden am Tag an Kursen teilnehmen. Anstaltsleiter Fixson sagte, die Abschiebehäftlinge hätten sich bislang „ruhig“ verhalten. „Es hat sich gezeigt, daß man vernünftig mit ihnen umgehen kann.“ Über eine Selbstmordgefahr einzelner sei ihm nichts bekannt. Eine generelle Zusammenlegung der Abschiebehäftlinge in Zweierzellen lehnte er ab, dies müsse im Einzelfall geprüft werden. Bislang liege ihm kein solcher Antrag vor.

Ein weiterer Abschiebehäftling, der nach dem Hungerstreik in den Polizeigewahrsam Gothaer Straße verlegt wurde, Mahmoud S., befindet sich seit dem 3. August erneut im Hungerstreik. Das teilte Heidje Beutel von der Antirassistischen Initiative mit, nachdem sie S. am Mittwoch besucht hatte. Sie beschrieb den Abschiebehäftling als „total abgemagert“. Übereinstimmend mit Angela Hamaiel, die den Zellengenossen von S. betreut, berichtete sie, daß S. in der vergangenen Woche tatsächlich versucht habe, eine Rasierklinge zu verschlucken. Die Polizei hatte dies bestritten.

Wie Justizsprecherin Uta Fölster sagte, sei die Verlegung der neun Abschiebehäftlinge nach Moabit „kein Präzedenzfall“. Zuständig für die Abschiebegewahrsame bleibe nach wie vor der Innensenator, auch wenn dieser die Aufgabe gerne dem Justizressort übertragen würde. Dorothee Winden

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