: Mitleid für die Seifenblasen
■ Pic, der Clown aus der Schweiz, zeigt in den Kammerspielen viele Gesichter
Das Licht geht aus, Dunkelheit erfüllt den Saal, das gespannte Publikum fiebert den Dingen entgegen, daß man es förmlich knistern hört. Ein Spotlight erleuchtet die Bühne, der Held erscheint. Der Held des Abends ist Pic, der Clown, der vor Jahren im Cirkus Roncalli jung und alt mit seinem Seifenblasenspiel gerührt hatte.
Erstmals präsentierte der Pantomime in Hamburg sein Solo-Programm. Für alle, die ihn bis jetzt nur als stummen Seifenblasenmann gekannt hatten, hielt er eine faustdicke Überraschung bereit: Er kann sprechen!
Das wiederum verschlug nun manchem Hanseaten fast die Sprache. Mangels eines Mitstreiters trieb der Schweizer Richard Hirzel alias Pic seine Wortspielchen mit fiktiven Anrufbeantwortern, angebeteten Frauen und natürlich mit dem Publikum. Allerdings ist es für einen anspruchsvollen Clown vielleicht doch etwas zu banal, nur ein wenig zu jonglieren, den verdutzten Damen und Herren in der ersten Reihe dann ein Bällchen zuzuwerfen und schließlich ein niedlich-tapsiges „Hoppala“ entweichen zu lassen.
Dafür lieferte er als unfähiger Arzt die Lösung für einen positiven Bluttest: „Nicht aufgeben“. Naja. Kaum entziehen konnte man sich dagegen seinem betörenden Minenspiel und der ausdrucksstarken Körpersprache, die auch im Vordergrund des Abends standen. Durch Haltung und Gestik verlieh er zahlreichen Masken von greisen Alten über Blondchen mit Tolle bis hin zu Frankenstein lebendige Züge, die nicht erahnen ließen, daß hinter den Gummigesichtszügen dasselbe Gesicht steckt. Da wird der schmächtige Pic zum groben Kerl oder zum kleinen Mädchen, zur Lebedame oder zum Gretchen. Ebenso beeindruckend seine pantomimische Entlarvung menschlicher Geldgier, die er in stets nur leicht modifizierten Masken gleich in einem Dutzend verschiedener Charaktere darstellte. Mit poetischer Leichtigkeit, die befreiendes Lachen ermöglicht, leuchtete er Licht und Schatten aus.
Nachdem Pic am Ende weißgeschminkt bewiesen hatte, daß er der einzige Clown ist, der Mitleid für zerplatzende Seifenblasen erregen kann, gab's den verdienten tosenden Beifall. Andreas Dey
Kammerspiele, bis 24. August, 21 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen