: Polizei klopft sich auf die Schulter
■ Zehn Polizisten im Verdacht, drei Skinheads und einen Rumänen mißhandelt zu haben / Vom Dienst suspendiert
Nur wenig Licht kam gestern in das Dunkel um die Ermittlungen gegen zehn Polizeibeamte einer Direktionshundertschaft in Kreuzberg. Wie Polizeipräsident Hagen Saberschinsky und Oberstaatsanwalt Carlo Weber berichteten, stehen acht Männer und zwei Frauen im Alter von 21 bis 36 Jahren im Verdacht, drei Skinheads und einen rumänischen Zigarettenhändler mißhandelt zu haben. Außerdem wird ihnen Strafvereitelung im Amt sowie Urkundenunterdrückung vorgeworfen. Bei einer Durchsuchung ihrer Wohnungen und Diensträume wurden Schlagwaffen und mehrere Stangen unverzollter Zigaretten sowie Polizeiprotokolle sichergestellt. Es gebe derzeit keinerlei Hinweise auf einen Zusammenhang mit Mißhandlungen von vietnamesischen Zigarettenhändlern durch Polizisten, hieß es. Die Beschuldigten, drei Polizeihauptmeister, drei Polizeiobermeister und vier Polizeimeister, gehören dem aus 29 Beamten bestehenden Zug einer Direktionshundertschaft an, der mittlerweile aufgelöst wurde. Die Informationen der Strafverfolger zum Stand des Ermittlungsverfahrens waren gestern mehr als dürftig. Laut Saberschinsky hatten Mitarbeiter seiner Behörde bereits im Juli erste Tathinweise erhalten. Nach ihrer Festnahme am Mittwoch wurden die Beamten wieder auf freien Fuß gesetzt und sind vorläufig vom Dienst suspendiert. Die Skins sollen im Mai in Rudow auf offener Straße und in einem Mannschaftswagen getreten und geschlagen worden sein. Der Rumäne sei bei seiner Festnahme in Neukölln mißhandelt worden, hieß es. Die vier Opfer haben inzwischen Strafanzeige erstattet. Einzelheiten über Tathergang und -motive wurden mit Hinweis auf die Ermittlungen nicht genannt.
Bei den beschlagnahmten Waffen handelt es sich um mit Plastikschienen verstärkte Handschuhe und Schlagstöcke, die nicht zur Dienstausrüstung gehören. Ob sie für Straftaten eingesetzt wurden, wird noch ermittelt, ebenso die Herkunft der unverzollten Zigaretten. Bei den in den Spinden gefundenen Polizeiprotokollen handelt es sich um nicht weitergeleitete Anzeigen von Bürgern gegen andere Bürger. Vom Erlaß eines Haftbefehls wurde laut Weber abgesehen, weil keine Verdunkelungsgefahr bestehe. Auf Nachfrage mußte Saberschinsky jedoch bestätigen, daß einer der beschuldigten Beamten noch in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag versucht habe, Beweismaterial verschwinden zu lassen.
Der Polizeipräsident brüstete sich damit, daß die Ermittlungen aus eigenem Antrieb erfolgt seien. Wie stets sei die Polizei „in hohem Maße“ daran interessiert, gegen Rechtsverstöße in den eigenen Reihen vorzugehen. Es bedürfe keiner mahnenden Stimme von außen, „wir tun es von uns aus“, beteuerte er. Der Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Albert Eckert, warf der Polizei gestern einseitige Ermittlungen vor. Wenn Polizisten Skinheads verprügelten, werde sofort etwas unternommen, verprügelten sie aber Vietnamesen, geschehe wochenlang gar nichts. Plutonia Plarre
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