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Weltkirchenrat widerspricht dem Vatikan

■ Geburtenkontrolle „ethisch akzeptabel“ / Kritik an UNO-Entwicklungsmodell

Genf (taz) – Die Kampagne des Vatikans gegen die Aussagen zur Geburtenkontrolle im Vorbereitungsdokument für die UNO-Bevölkerungskonferenz Mitte September in Kairo ist auf Kritik beim Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) in Genf gestoßen – ebenso wie die Passagen des Dokuments zum wirtschaftlichen Wachstum. Zum ÖRK – oft auch als Weltkirchenrat bezeichnet – gehören 324 protestantische und orthodoxe Kirchen.

„Ich habe Zweifel an der Weisheit der Haltung des Vatikans“ erklärte der ÖRK-Generalsekretär, der deutsche Theologe Konrad Raiser im Interview mit dem Pressedienst des ÖRK. Er bezweifele zudem die Vereinbarkeit mit früheren Erklärungen des Vatikan zu Fragen der sozialen Entwicklung. „Mehr Respekt des Vatikans für die Vielfältigkeit existierender Positionen und Überzeugungen zu Bevölkerungsfragen wären dem christlichen Zeugnis angemessener gewesen“, betonte Raiser. Der ÖRK-Generalsekretär wies darauf hin, daß – anders als die katholische Kirche – zumindest die protestantischen Mitgliedskirchen des ÖRK „demokratisch und synodal verfaßt“ seien und dem Prinzip der „Priesterschaft aller Gläubigen“ sowie der „gemeinsamen Verantwortung aller getauften Christen“ verpflichtet seien. Daher könne von diesen Kirchen „nicht erwartet werden, die Entscheidung eines Bischofs oder einer Synode als das letzte Wort in einer Angelegenheit zu akzeptieren“. Für die „übergroße Mehrheit der ÖRK-Mitgliedskirchen“ sei „Geburtenkontrolle ethisch akzeptabel“, erklärte Raiser, „Abtreibung als Methode der Geburtenkontrolle“ allerdings nicht. Daher unterstütze der ÖRK die Passagen des Kairoer Vorbereitungsdokuments zur Geburtenkontrolle. Kritisch äußerte sich Raiser zu den wirtschafts- und entwicklungspolitischen Passagen des Dokuments. In das Dokument sei „der internationale Jargon von der nachhaltigen Entwicklung übernommen worden, wonach Voraussetzung zur nachhaltigen Entwicklung nachhaltiges Wachstum“ sei. Gegenüber dieser Haltung sei der ÖRK „zunehmend skeptisch“. Die Skepsis gelte selbst gegenüber dem Begriff „Entwicklung“. Raiser wandte sich gegen den „immer noch weitverbreiteten Glauben, grundsätzlich sei unser Entwicklungsmodell nicht falsch, wir müßten nur die ökologischen Konsequenzen in den Griff kriegen“. Der ÖRK-Generalsekretär sieht „wenig Belege dafür, daß es für die meisten Regierungen im Norden wie im Süden eine Priorität ist, die menschliche Entwicklung ihrer Bevölkerungen zu fördern“.

Wo „Entwicklung im Sinne von wirtschaftlichem Wachstum stattgefunden“ habe, sei dies passiert „auf Kosten der Sicherheit, des Wohlbefindens und der Überlebenschancen der Bevölkerungsmehrheit, insbesondere der armen Menschen“.

Raiser forderte eine stärkere Beteilung von Frauen an bevölkerungs- und entwicklungspolitischen Diskussionen und Entscheidungen. Die „Stimmen von Frauen, ihre Befürchtungen und Hoffnungen“ seien „in den meisten Regierungen wie in den Delegationen für die Kairoer Konferenz strukturell völlig unterrepräsentiert“. Ein stärker Einfluß von Frauen könne zu einem „ganzheitlichen Ansatz führen“ anstelle der bislang üblichen „Suche nach den schnellsten technischen Lösungen zur Sicherstellung lediglich demographischer Gleichgewichte“. „Gegenüber diesem typisch männlichen Lösungsansatz von oben nach unten“ seien Frauen „äußerst skeptisch“, betonte Raiser. Statt dessen stellten Frauen das „unbestreitbare Problem des Bevölkerungsdrucks in den größeren Zusammenhang von Entwicklung, Erhalt der Umwelt, Erziehung und demokratischer Partizipation“. azu

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