: Macht doch den Kanal voll!
■ TV-Programme für jede Altersgruppe und jeden noch so schlechten Geschmack
„Spartenkanal“ heißt das „Sesam öffne dich“ für alle, die noch schnell ein neues Fernsehprogramm auf den Markt werfen wollen. Was das ist? Ganz einfach, das Gegenteil von einem „Vollprogramm“. Für ein solches gelten bei der Zulassung nämlich strenge Regeln, da müssen Information geboten, Meinungsvielfalt gesichert werden, und an mehr als zweien davon darf kein Medienkonzern beteiligt sein. Es sei denn, er heißt Kirch und teilt die Kanäle zwischen Vater und Sohn auf. Die Strategen von der Compagnie Luxembourgeoise de Telediffusion (CLT) haben es da schwerer. Zwei Vollprogramme steuern sie schon: RTL und RTL 2. Und bei der Rettung von Vox sind sie gerade von Medienmogul Murdoch ausgestochen worden. Da bietet sich für die Expansion eben ein „Spartenkanal“ an. Ab Januar nächsten Jahres erwartet uns ein neues „Super RTL“-Programm für „die ganze Familie“. Garantieren wird das Prädikat „jugendfrei“ der Partner der CLT: Es ist die Walt Disney Company, die ihre „erprobte Produktpalette für die Zielgruppen Kinder und deren Eltern“ (Eigenwerbung) an Fernsehveranstalter in über 100 Länder verkauft.
18 Stunden pro Tag soll der neue Kanal Spielfilme und Serien, Zeichentrickfilme und Unterhaltungsshows abspielen. Über Satellit und Kabel will man schon von Beginn an zu empfangen sein und hat sich für den Lizenzantrag wohl nicht zufällig das Bundesland Nordrhein-Westfalen ausgesucht: Es hat die größte Dichte von Kabelanschlüssen, und seine Landesanstalt für Rundfunk (LfR) ist als besonders anbieterfreundlich bekannt. So wie sie den scheintoten Sender Vox monatelang durchgeschleppt und eine Neuausschreibung der Frequenz bislang erfolgreich verhindert hat, wird sie mit Freude Walt Disney begrüßen. Der Ruf, in Köln und Umgebung werde täglich ein neues Produktionsstudio eröffnet, muß schließlich genährt werden.
Der Run hält jedenfalls an. Mittlerweile liegen in Nordrhein- Westfalen noch so viele Anträge auf Spartenprogramme vor, daß LfR-Vizedirektor Gerhard Ridding schon „größte Komplikationen“ bei der Einspeisung in die Kabelnetze befürchtet, die sich bereits „am Rande der Kapazität“ bewegten. Neben „Super RTL- drängen noch fünf weitere Programme ans Netz: Der Musiksender Viva will ein zweites Programm ausstrahlen (Gesellschafter Frank Otto hat sich überlegt, diesmal die über 20jährigen zu bedenken), die Musik für noch Ältere („ab 35“) will künftig COM-TV mit Wim Thoelke als Galionsfigur verbreiten.
Und damit bald in jedes Kinderzimmer ein Bildschirm gehört, will der US-Konzern Viacom ein TV- Programm, speziell für die Kleinen, namens „Nickelodeon“ auf den Markt bringen – voll werbefinanziert, versteht sich. Sun-TV (die elektronische Bauer-Illustrierte) und ZAP-TV (eine Fernsehzeitschrift im Fernsehen) komplettieren die Warteschlange. In Bayern denkt derweil der Dunstkreis der Kirch-Gruppe über einen zweiten „Kabelkanal“ (möglicherweise mit Burda) und noch einen Sportkanal (DSF2) nach.
Sorgen machen den Konzernen neben den – recht machtlosen – Medienkontrolleuren die Übertragungskapazitäten. Nicht nur die Kabelnetze sind voll, auch der Satellit Astra 1E ist belegt. So wird wohl auch der erste deutsche Wetterkanal noch warten müssen, vielleicht bis Mitte nächsten Jahres. Bis dahin soll das nächste „Sesam öffne dich“ mit Namen „digitale Kompression“ Platz für mehr Kanäle auf den Satelliten geschaffen haben. Michael Rediske
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