: Teures Bügelschloß geklaut, das Rad ist noch da
■ ADFC rät trotz dieser Erfahrung zu stabilen Schlössern / Jährlich 33.000 Räder weg
Michael kann es einfach nicht glauben: Als er an jenem lauwarmen Sommerabend frohgemut aus der Uni kommt, erwartet ihn eine ebenso irritierende wie ärgerliche Überraschung: Sein 150-Mark-Bügelschloß, das gierigen Radfetischisten die Lust am Klau vergällen sollte, ist weg. Aufgebrochen und geklaut. Der Drahtesel, den er vermeintlich felsenfest an einen Zaun geschlossen hatte, steht unversehrt am U-Bahnhof.
Seinen fahrbaren Untersatz effizient zu sichern ist keine leichte Aufgabe. Auch mit einem guten Schloß können einen Überraschungen erwarten. Dennoch raten Polizei und der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) dringend ab, ausgerechnet beim Schloß zu sparen – zu einfach werde es den Dieben gemacht. Allein 1993 wurden nach Polizeiangaben mehr als 33.000 Fahrräder gestohlen. Nur sechs Prozent der Fälle würden aufgeklärt. Hauptproblem sind U- und S- Bahnhöfe sowie Schwimmbäder. Die Polizei fährt daher seit dem Frühjahr besonders an diesen Abstellplätzen Streife.
Der ADFC fordert mehr sichere Abstellplätze. Modelle gibt es genug: In den Niederlanden gibt es bereits Hunderte Fahrradstationen. In einer Art bewachtem Fahrradparkhaus können die Räder gegen eine geringe Gebühr abgestellt werden. Statt der kostenintensiven Überwachung durch Angestellte gibt es inzwischen auch automatische Stapelgaragen: Die Fahrräder werden auf Fließbänder gesetzt und auf bis zu zehn Etagen gestapelt. Mittels Chipkarte oder Codenummer kann man sein Fahrrad wieder rausholen. „Bei dieser Schickimicki-Variante“, sagt Matthias Wendt vom ADFC, „entfällt sogar lästiges Hochhieven und umständliches Anschließen.“ Eine Alternative sind Fahrradboxen. Die aber brauchen viel Platz.
Fahrradstationen sind in Deutschland noch eine Seltenheit. In Berlin gibt es lediglich einige bewachte Plätze im Ostteil. Zudem bieten manche Geschäfte bereits Fahrradgaragen an: Das KaDeWe etwa will demnächst Fahrräder an separaten Stellplätzen in der Tiefgarage mit Kameras bewachen.
Noch scheitern Fahrradgaragen an den Kosten. Zumal hierzulande längst nicht so viele Menschen das Fahrrad nutzen wie in den Niederlanden. Die Senatsverwaltung für Verkehr will deshalb zunächst die Abstellplätze sicherer machen. Die alten Fahrradständer an den Knotenpunkten der S- und U-Bahnen sollen ausgetauscht werden, damit man Räder wenigstens vernünftig am Rahmen anschließen kann. So soll das Konzept „bike and ride“ attraktiver werden.
Michael allerdings kann auch das nicht mehr überzeugen. Er meidet große Abstellplätze und hochwertige Produkte der Fahrradschloßindustrie. Fatalistisch hat er sich auf die mehr symbolische Sicherung seines Drahtesels verlegt: Er zwängt sein Bike mit einem spillerigen Metallseil an Bäume und Masten – und wartet auf die erste Fahrradgarage. Anja Dilk
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